Marissa Nadler :: July

Die Lana Del Rey des Weird Folk: Entschleunigungsmusik 2014

„Oh, strangest thingsare happening“, warnt Marissa Nadler. Die Akustikgitarre zupft stoisch stolpernd Akkorde. Ein Streichquartett, das klingt, als ob es von John Cage präpariert worden wäre, mäandert durch die Harmonien und die Zeiten. Aus dissonant verzierten Tönen wird ein Dreiklang, eine Slide seufzt, und Marissa Nadler singt vom Brief aus dem Jahr 1923, vom Anruf, der ein Jahrhundert überbrückt, und von der nie enden wollenden Sehnsucht. Der Song „1929“ ist die Essenz der episch-elegischen Liedsammlung „July“ – intim, verworren, verhuscht, surreal und voller Auslassungen.   

Über diese Platte der Singer/Songwriterin aus Boston scheint sich ein Traumschleier gelegt zu haben, mal wattig, schier undurchdringlich, mal zart transparent. Wie die Antwort des Weird Folk auf Lana Del Rey erschafft Marissa Nadler verschroben-unwirkliche Klangwelten. Sie träumt dann gerne von der Rückkehr zur Unschuld – im sentimentalen „We Are Coming Back“ und im bitteren „Any­one Else“ ebenso wie in „Firecrackers“ – einem Song voller Sommerabendtraurigkeit, der wie die Reminiszenz an einen alten Schlager klingt. Diese Sorte Wehmut durchdringt auch das Abschiedslied „Drive“, das gleichzeitig die Ouvertüre dieser Traumreise ist. „If you ain’t made it now/ You’re never gonna make it“, singt Nadler und schwärmt in einem Sirenenchor vom Schlafen, Träumen und Weitermachen.

Obwohl Produzent Randall Dunn den verwunschenen Folkpop auf „July“ in Soundschichten aus Streichern, Keyboards und E-Gitarren tunkt, stehen Nadlers Akustikgitarre und ihre Stimme, die sich oft in vielen Spuren übereinanderlegt, im Zentrum der Songs. In „Dead City Emily“ schält sich aus den Fingerpickings eine zarte Melodie, „I’ve Got Your Name“ erweist sich am Klavier als der Entwurf eines großes Popsongs, „Nothing In My Heart“ als wunderbar affektiertes Antiliebeslied, „Holiday Inn“ als intimer Folksong. Und im psychedelisch, zeitlupenhaften „Was It A Dream“ verschwimmen einmal mehr die Grenzen zwischen Wachen und Träumen im Marissa-Nadler-Wunderland: „Life’s in a mirror looking through/ It’s the same world but everything is blue.“

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