Meira Asher – Dissected

Es ist immer wieder schön, nach dem ganzen Gefiepe, Geblubber und Geschrabbel, das sich als Sound durch praktisch alle Produktionen zieht (und durchaus nicht immer schlecht sein muß!), von einem einzelnen Instrument den Wen eines einzelnen Klang vorgeführt zu bekommen.

Auf Meira Ashers Debüt-Album geschieht das häufig: „Fair &Ruddy“ wird allein von einem brummenden, brausenden, fiir Momente unglaublich aggressivem Didjeridoo getragen, über das mehrere Stimmen dahinziehen. In „Give Peace“ wird der Gesang von zwei trocken knallenden ghanaischen Trommeln begleitet – jeder Schlag ein Treffer. In „Daddy Came“ ist das einsame Instrument ein Akkordeon, in „Maligora, The Sand Child“ eine Harfe. Aber keinen Moment hat man den Eindruck, irgendetwas würde fehlen – die Kraft, der Druck, die Wucht dieser Songs entspringt gerade der Konzentration auf das Wesentliche. Und der daraus erwachsenden Leere.

Es dürfte inzwischen klar sein, daß Meira Asher eine radikale Musikerin ist. Vorurteile werden selbstverständlich schon von dem Cover in drastischer Askese genährt: ein Antlitz zwischen Büßerin und Amazone – und um Spaß geht es hier nicht. Meira Asher schlägt einen vor den Kopf. Wie radikal sie aber erst in ihrer Heimat wirken muß, ist von hier aus nur zu ahnen. Denn die Sängerin, Komponistin, Tänzerin und Percussionistin kommt aus Israel, wo „Dissected“ allgemeine Entrüstung ausgelöst haben soll.

Vorstellbar wäre das schon wegen der wütenden hebräischen (die englische Übersetzung liegt bei) Texte über brutale Themen wie Aids, Kindesmißhandlung, Folter, Krieg und unterdrückte weibliche Sexualität. Doch wesentlich beunruhigender als die bösen Worte sind die ungewöhnlichen Klänge: Meira Ashers Stimme rezitiert, singt, jault, heult, flüstert, schreit und ist dabei in jedem Moment präsent, drängend, nah, unausweichlich. Das Instrumentarium dagegen ist – wie oben angedeutet – auf das Wichtigste zurückgezogen, erinnert höchstens an sehr strenge traditionelle Folklore oder an sehr bizarre Avantgarde-Künstler der ehemalige Pere Ubu-Bassist Tony Maimone zum Beispiel wirkt deshalb als Gast überhaupt nicht deplaziert.

Meira Asher, die sich auf ihrer nächsten, schon in Arbeit befindlichen Platte (wie David Bowie, aber auch die betörende Stina Nordenstam!) mit Jungle und Industrial-Musik beschäftigen will, hat auch ab Musiktherapeutin mit autistischen Kindern gearbeitet. Vielleicht hat sie dabei die Erkenntnis gehabt, die diesem Album zugrunde liegen könnte: Tausend Klänge rauschen oft vorbei, einen Ton kann man wirklich hören. Und der Wert dieses Tons ist unermeßlich.

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