Milow :: North And South

In der Wohlfühlmusik des Belgiers verstecken sich Überraschungen.

Milow müsste mich nerven. Ständig sind Werbespots mit seinen Liedern unterlegt, man hört sie täglich (zumindest wenn man zu viel fernsieht) und bekommt sie nicht mehr aus dem Kopf. Die Melodien des Belgiers sind gefällig, seine Stimme ist angenehm – und dann hatte dieser käseweiße Kerl noch die Chuzpe, 50 Cents „Ayo Technology“ zu covern, bis kein HipHop mehr übrig war, sondern nur ein klassischer Milow-Song: easy on the ears. Müsste man natürlich alles ablehnen.

Das Problem ist nur: Ich höre Milows Lieder so gern – vor allem, wenn er nur mit der Akustikgitarre schrammelt und seine putzigen Verse ohne viel Trara singt. Man muss da mal genauer hinhören, dann fallen einem auch bei den scheinbar schlichten Liebesliedern ziemlich skurrile Metaphern auf. Bei „You And Me (In My Pocket)“ (zurzeit leider im Dienste der Telekom auf Dauerrotation) malt sich Milow aus, wie er seine Angebetete halten könnte: Würde sie doch müffeln! Wäre sie doch ein Vogel, den man ihm Käfig halten könnte – oder zumindest klein genug für seine Jackentasche! Ja, das ist irre, aber auch rührend: „I sometimes wish you were a mermaid/ I could raise you in the tub at home/ We could take a swim together/ On weekly day trips to the bay …“

In „Rambo“ erzählt er von all seinen missglückten Versuchen, ein Held zu werden – es wurde kein Feuerwehrmann aus ihm, kein Astronaut und kein Zauberer, aber eins wurde er dann doch: ein Typ, der das Beste aus seinen Möglichkeiten macht. Eher Donovan als Jack Johnson. Ohne falsches Pathos beschreibt er in „The Kingdom“ sein kleines, lahmes Land, und dann überrascht er einen noch mit einer unheimlichen Verschwörungsgeschichte namens „KGB“. Nein, Milow ist kein gewöhnlicher Wohlfühlsänger. Unter der Mütze steckt mehr, als die sanfte Musik suggeriert. (Universal) Birgit Fuss

Josh T. Pearson ***¿

Last Of The Country Gentlemen

Zerquälte Country-Gospels über die Liebe, Liebe und Liebe

Wenn Jeff Buckley einen großen Bart, Liebeskummer und Will Oldham zum Partner gehabt hätte, dann hätte er diese Platte aufgenommen. Josh T. Pearson sieht aus wie ein schratiger Wanderprediger und erinnert im Habitus an David Eugene Edwards von 16 Horsepower und die Rhapsodien auf Bruce Springsteens ersten beiden Alben – doch sein American Gothic besteht fast auschließlich aus Gitarren-Geschrumm und desperatem Gewisper (ein paar Streicher kommen manchmal hinzu), jeder Schwung ist ihm abhanden gekommen.

,,Sweetheart, I Ain’t Your Christ“ ist auch für den Zuhörer eine elfminütige Tour de force durch Selbstmitleid, Hass, Drohungen, Verzweiflung und vergebliche Liebe, ein negatives Gebet, ein Gospel der Vergeblichkeit. In, ,Honeymoon’s Great! Wish You Were Her“ und, ,Country Dumb“ kommt ein grimmiger Witz hinzu, der Pearsons Wahnsinn für Momente als schwarze Komödie erscheinen lässt. Doch die existenziellen Qualen gründen tief im amerikanischen Süden, in der Bibellektüre und in der morbiden Verfallenheit von Tennessee-Williams-Dramen. Wo kein Licht mehr leuchtet, da beginnt dieses Album.

Monk Of Doom. (Mute) Arne Willander

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