Mit John Fogerty und Paul McCartney überschreitet Bruce Springsteen die Sperrstunde :: Hard Rock Calling Festival

London, Hyde Park

Es war die letzte Viertelstunde eines mehr als dreistündigen Konzerts, die am nächsten Tag alle Schlagzeilen machte: Das historische Duett Bruce Springsteens mit Paul McCartney im Londoner Hyde Park, brutal abgebrochen nach Überschreitung der amtlichen Sperrstunde um popelige zehn Minuten. „Seit wann ist England ein Polizeistaat?“, twitterte Springsteens treuer Lieutenant „Little“ Steven Van Zandt empört. Bürgermeister Boris Johnson ließ in bester Populistenmanier wissen, dass Paul und Bruce seinetwegen ruhig hätten weiterjammen können. Seien wir ehrlich: Wenn eine Band – nach einer kompakten Version von „I Saw Her Standing There“ – alle Strophen von „Twist And Shout“ schon zweifach gesungen hat und dazu übergeht, den Refrain von „La Bamba“ über dieselbe Akkordfolge zu strecken, dann war das Wesentliche wohl bereits gesagt. Als Springsteen vor seinem Auftritt zur Unterstützung von John Fogerty für eine launige Version von „Rocking All Over The World“ auf die Bühne gekommen war, hatte jener ihn als den „größten amerikanischen Rock’n’Roller aller Zeiten“ bezeichnet.

Eine Stunde später beginnt Springsteen den Abschluss des „Hard Rock Calling“-Festivals wie ein Mann, der sich dieser Rolle sehr bewusst ist. In graublauem Hemd, Krawatte, zugeknöpftem Gillet und engen Jeans stellt er sich allein an den Bühnenrand und sagt: „Das ist der erste Song, den ich spielte, als ich zum ersten Mal britischen Boden betrat.“ Im Duett mit Tastenmeister Roy Bittan liefert Springsteen eine herzzerreißende Version von „Thunder Road“ als perfektes Echo seiner auf dem Hammersmith-Odeon-Live-Album dokumentierten Londoner Premiere vor 37 Jahren, gefolgt vom stürmischen „Badlands“. So richtig in Fahrt kommt die Sache aber erst mit einer Trilogie neuer Songs: „We Take Care Of Our Own“, „Wrecking Ball“ und „Death To My Hometown“, in dem der vom väterlichen Bruce beharrlich „Tommy“ genannte Tom Morello seinen ersten von vielen Gastauftritten absolviert.Übergangslos findet die E Street Band ihren Weg in die würdevollen Soul-Balladen-Vibes von „My City Of Ruins“. Springsteen stellt seine Band vor, dann hält er inne und singt wieder und wieder die schmerzlich in der Luft hängende Frage hinaus in die Nacht: „Are we missing anybody?“ – „Clarence!“ brüllt das Publikum. – „It’s alright!“ ist die im Chor gesungene Antwort. Es ist nicht der einzige Moment des Gedenkens an den Saxofonisten. Einmal legt sich Springsteen mit dessen Nachfolger und Neffen Jake Clemons auf die Stufen und deutet vielsagend in den Himmel. Sentimental vielleicht, aber zutiefst berührend.

Genauso wie der Moment, in dem Springsteen sich von einem Fan ein Plakat überreichen lässt, auf dem der Songtitel „Take Them As They Come“ nebst den durchgestrichenen Städtenamen der bisherigen Europa-Tour zu lesen ist. Hier in London erfüllt der Boss dem Fan, der ihm quer über den Kontinent gefolgt ist, endlich seinen Wunsch: „Eine obskure Nummer, die ich schrieb, als wir für ‚The River‘ noch was Rockiges brauchten“, erklärt er. „Heute Nacht, mein Freund, ist das dein Song.“

Aber es wäre nicht Springsteen, folgte nicht die bittere Ballade „Jack Of All Trades“ mit ihrer durch den Hyde Park hallenden Anklage des „banker man“. Bruce Springsteen ist – neben Neil Young – der einzige Mainstream-Rockstar, dem man einen Satz wie „If I had me a gun, I’d find the bastards and shoot ‚em on sight“ abnimmt.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates