My Morning Jacket

The Waterfall

PIAS

Die Blätter fallen, die Tage werden kürzer, die Vögel fliegen davon, die Morgen werden diesig, doch der Fluss fließt immer weiter. Jim James singt mit empfindlichem Falsett vom Leben, das ein langer ruhiger Fluss ist. „Like A River“ ist so etwas wie die psychedelisch eingefärbte Antwort von My Morning Jacket auf Smetanas „Moldau“ – ein tonmalerischer Trip einen Fluss entlang, der erst sanft auf der Akustikgitarre dahinplätschert, zu einem durch folkloristisches Terrain mäandernden Strom von Harmonien anschwillt (durch den sich mehrstimmige Gesangsmelodien schlängeln) und am Ende ruhig tröpfelnd versickert.

„Like A River“ ist eine Natur- und Lebensbetrachtung, die ohne Refrain auskommt, die in den Kern dieser psychedelisch-impressionistischen, spirituellen Platte namens „The Waterfall“ vordringt. Ein Album, bei dem Glauben wichtiger als Wissen ist, bei der das Pastorale auf das Urbane trifft, Folk-Rock Pop gegenübergestellt wird. Neben mit Fingerpickings verzierten Stücken wie dem sanft-intimen Trennungslied „Get The Point“ und dem epischen „Tropics (Erase Traces)“ finden sich auch von Synthesizern bestimmte Lieder, die man so nicht unbedingt von My Morning Jacket erwartet hätte. „Believe (Nobody Knows)“, das das Album eröffnet, bringt Sequenzer ins Spiel, „Compound Fracture“ borgt sich einen Schüttelbeat aus den 80er-Jahren, das angesoulte „Only Memories Remain“ könnte eine Discoballade aus den Siebzigern sein.

„The Waterfall“ weitet sich zu einem unerhörten Klangkosmos, der von einem Gespür für feingliedrige Inszenierungen und verschnörkelte Melodien zusammengehalten wird. Und natürlich gibt es Platz für große, komplex gebaute Rocksongs wie das mit einem markanten E-Piano-Motiv ausgestattete „In Its Infancy (The Waterfall)“ oder „Spring (Among The Living)“, bei dem die Gitarrenmelodien und das Schlagzeug die Stereospuren durcheinanderbringen, bei denen The Grateful Dead weitergedacht werden und Jim James statt vom Leben, das ein langer ruhiger Fluss ist, vom Frühling erzählt und davon, wie dessen Schönheit alles verändert.