Nellie McKay – Get Away From Me

Mit 19 rannte ich noch einigermaßen unbemerkt und ziellos in Hamburg rum, suchte meine Identität im Rausch und bei Hesse, wollte cool und hübsch sein, war unsicher und deshalb eine Nervensäge, und außer dem Führerschein hatte ich eigentlich nichts erreicht, was mich als eigenständigen Erwachsenen ausgezeichnet hätte.

Mit 19 rennt Nellie McKay seit vier Jahren durch New York, studierte bereits zwei Jahre an der Manhattan School Of Music, spielte in der Zeit nachts in den Jazzbars der Stadt, betrank sich danach mit den anderen Musikern, wollte nie cool oder hübsch sein, sondern immer nur Musik machen und beherrscht so ziemlich jedes Instrument, das auch nur im entferntesten mit dem Klavier zu tun hat. Mit 19 bringt Nellie McKay ihr erstes Album raus. Das ist in dem Alter so unüblich nicht, Casting-Shows sei Dank. Bemerkenswert ist, dass alle Songs auch aus der Feder der Künstlerin stammen und sie neben dem Produzenten Geoff Emerick, Toningeneur großer Beatles-Alben, auch noch gleich selbst Hand an die (sehr stimmige) Produktion anlegt.

Wenn man sich vorstellen will, wie „Get Away From Me“ klingt, dann sollte man sich vorstellen, wie New York klingt. Broadway, Disco, Barjazz, Rap, Rock. Extrem beeindruckend, mit welchem Facettenreichtum Nellie hier auftrumpft und dabei gar nicht ziellos wirkt.

Neben der musikalischen Vielfalt treiben einem die Texte ein Grinsen aufs Gesicht. Was für eine Latte von Wörtern. Böse, sarkastisch, abrechnend, witzig, frech, selbstironisch, politisch, zynisch. Ein bunter Themenmix, dessen Inhalt im Gegensatz zur Schönheit der Harmonien steht „I’m sorry for the time/ The stupid way I rhyme/ I knew I shoulda chosen a Iife of crime/ I’m sorry for my blues/ I guess it’s all old news“, rappt der Rotschopf im Chorus von „Sari“. Oder „What should I say/ What should I pray/ Who would care if I went ahead and punched the wall?“ in „Change The World“.

Nellie ist ein Mädchen mit einer Menge Gedanken auf der verzweifelten Suche nach Schönheit inmitten einer verlogenen Welt. Jung, wild, sensibel, wütend, verletzt am Boden, aufgestanden und Breitseite gegeben. Das hat Größe.

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates