Nick Cave & The Bad Seeds

B-Sides & Rarities

Mute/EMI

Vom Grölen zum Sublimen: Der Karton mit drei CDs dokumentiert mit Songs der vermeindlichen B-Kategorie Caves Promotion zum großen Songschreiber

Es gibt natürlich Freunde des Gruftigen, die „The Firstborn Is Dead“ lieben und das unvermeidliche „Tender Prey“, auch hüten sie die alten Platten von Crime & The City Solution und Lydia Lunch. Statt aber auszubrennen oder zu verschwinden oder beides kann man auch in die Schreibklause gehen wie der brave Bürger in sein Büro, um dort Moritaten und Balladen auszubrüten. Als Nick Cave 1994 diese Disziplin entwickelte und die „MurderBallads“ schrieb, war er wohl – um ein schönes Klischee zu verwenden – erwachsen geworden.

Natürlich waren schon die einfachen, kitschigen Lieder auf „The Good Son“ herzbewegend und spätwerksmäßig. Doch die vier Versionen und Fragmente des entsetzlich brutalen „O’Malley’s Bar“ belegen hier noch einmal, daß und wann Cave über das Krawallhafte und das Epigonale hinausgelangt war. Ausnahmsweise sei auch auf die so genannten Belehnungen hingewiesen, mit denen Bob Dylan die Lied-Tradition fortschrieb. Cave bediente sich einerseits im Fundus von Volkslied, Bänkelgesang und Blues, entwickelte andererseits seine eigene Art der Schauerromantik, siehe „Where The Wild Roses Grow“, hier „with original guide vocal by Herr Bargeld“.

Cave und seine Bad Seeds hatten als Rabulisten angefangen, wüst, dilettantisch und makaber. Aus den wilden Tagen ist auch kaum etwas dokumentiert: akustische Versionen von „Deanna“, „The Mercy Seat“, „City Of Refuge“, „The Moon Is In The Gutter“, „The Six Strings That Drew Blood“. Es folgt die Phase um 1990, leider auch das blödsinnige „Cocks’n’Asses“, B-Seite des herrlichen „Weeping Song“. Sehr schön allerdings: „Helpless“ vom Neil-Young-Tribut „The Bridge“, „Tower Of Song“ von der Hommage an Leonard Cohen.

Die beiden anderen CDs enthalten Stücke, die zu Caves schönsten gehören. „Time Jesum Transeuntum Et Non Riverentum“ , eine wunderbare Meditation mit Warren Ellis‘ Violinenspiel, ist nicht dem toten Papst gewidmet, war jedoch – erstaunlich! – ein hidden track auf dem „X-Files“-Soundtrack. „Sheep May Safely Graze“ und „Opium Tea“ haben „The Boatman’s Call“ verpaßt, obwohl sie vollkommen gelungen sind – bloß thematisch paßten sie nicht in den Liebesreigen. Wunderbar elegisch, meinetwegen schnulzig auch „Grief Came Riding“ und „Bless His Ever Loving Heart“ von 2001, damals „No More Shell We Part“ hinzugefügt.

Freilich ist der Cave-Ton der späteren Tage, das Sepiafarbene, das Moll, das Klavier, die Geige, fast manieristisch geworden. Doch dieser kontemplierende Romantiker, auf dem Gipfel seiner Möglichkeiten, ist eine ebenso verläßliche wie dringliche Stimme, eine Stimme, die Momente beschwört und bewahrt – wie jene Tage unter Kirschbäumen oder unterm Mond, im Bann der Frau mit dem schwarzen Haar oder der Frau mit den grünen Augen.