Paul Weller :: 22 Dreams :: Ein überfrachtetes, partiell aber wunderbares Doppel-Album

Ein halbes Jahrhundert Paul Weller — da möchte der Jubilar verifizieren, was er alles kann. Und legt erstmals ein Doppel-Album auf. Nun ist die Crux mit „22 Dreams“ (durchaus nicht unvermutet!), dass Weller auch einiges von dem aufbietet, was er besser lassen sollte. Und einiges, was er nicht kann. Der Bombast an Streichern, Bläsern und Flöten erinnert an die unr geliebte Platte „Confessions Of A Pop Group“ (1988) vom Style Council, das mit Suiten, Harfenspiel und Instrumentalstücken ein poetisches Konzeptwerk werden sollte, aber zum Murks wurde. Anders „22 Dreams“, das – im besten wie im schlechtesten Sinne – den Gesamtweller repräsentiert. Mit akustischen Gitarrenund Sitar-Gezirpe: „Light Nights“. Mit hurtigem Rumpel-Rock: „Dreams“ und das mit Noel Gallagher geschriebene, leider stumpfe „Echoes Round The Sun“. Mit schwergängiger, versponnener Ballade: „All I Wanna Do (Is Be With You)“. Mit altväterlichem Kitsch: „Lullaby für Kinder“, „God“ (ein Rezitativ). Mit seltsamen Instrumentals: „The Dark Pages Of September Lead To The New Leaves Of Spring“ (kurz) und „Song For Alice“ (lang). Psychedelischer Folk und fernöstliches Gebimmel lassen an Traffic und die Small Faces denken.

Andererseits lässt der kregle Alte keinen Zweifel daran, dass er in guten Momenten noch immer der beste Songschreiber Englands ist: „Empty Ring“ ist ein Wunderwerk an Melodie und Zartheit, „Invisible“ das zauberische Lennon-Piano-Liebeslied, „One Bright Star“ rührt ebenso an wie das triumphal-sentimentale „Why Walk When You Can Run“ und „Wher’er Ye Go“; die Bossa-Nova-Soul-Ballade „Cold Moments“ (die Streicher, die Orgel, das Jazz-Piano, das Gitarren-Solo im Hintergrund!) und „Black River“ (mit einer burlesken Music-Hall-Zirkus-Passage) gehören zu seinen besten Stücken überhaupt. Den Gaga-Jam „in“, laut Weller ein Vergnügen beim Aufnehmen kann man am Ende ebenso ausblenden wie das repetitive „Sea Spray“ und die orientalisch simmernden „Night Lights“.

Wenn man nachrechnet, kommt man ziemlich genau auf ein Meisterwerk mit zwölf Träumen. Aber Paul Weller verschwendet sein Genie natürlich immer großzügig.

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