Paul Woods  :: The Curious Life And Work Of Scott Walker

Ließe sich das Wörtchen „curious“ nur mit „kurios“ übersetzen, müsste man diesem Buch keine Beachtung schenken, denn Scott Walkers Leben und Werk als Kuriosum abzutun, hieße es gründlich misszuverstehen. Doch natürlich schwingen in diesem Begriff noch andere Bedeutungen mit: neugierig, sonderbar, eigentümlich. Damit kommt man dem Gegenstand der Untersuchung näher, auch wenn der de­fini­to­rische Wert solch vager Umschreibung gegen null tendiert. Leicht ist es gewiss nicht, den von Walker allein durchmessenen kulturellen Kosmos auszuleuchten, schon weil es der Künstler nicht als seine Aufgabe betrachtet, dabei Hilfestellung zu leisten. Die Prärogative dessen, der sich in diesem Kosmos eingerichtet hat, aber eine hohe Hürde für Biografen und Exegeten.

Umso erstaunter blickt man auf den neuerdings rasch wachsenden Stapel von Büchern, die sich an Scott Walker abarbeiten, interpretativ, phänomenologisch oder anekdotisch. Paul Woods mischt auf all diesen Ebenen mit, konnte sich bei der Recherche allerdings auf Analysen stützen, die andere Autoren wie Ken Brooks mit „Long About Now“ oder Lewis Williams mit „The Rhymes Of Goodbye“ geleistet haben. Es wurde neulich sogar ein Reader mit diversen klugen Beiträgen publiziert, wo zum Kontext gleich der Subtext mitgeliefert wird. Aus diesem Angebot hat Woods ein so lesbares wie lesenswertes Destillat gepresst, nicht ohne ein paar eigene, durchaus interessante Gedanken beizumischen. Der Weg des Künstlers wird mit großem Verständnis nachgezeichnet, sein Werk in den Zusammenhang der jeweiligen Zeit gestellt, auch wirkungsgeschichtlich, von Scott Engels unschuldigen Teen-Balladen bis zur Seelenpein hörbarmachenden und Sprachbarrieren kartografierenden Monumentalstudie „Bish Bosch“.

Es ist Woods hoch anzurechnen, dass er Walkers Leben nicht als Abfolge von Phasen beschreibt, seine musikalischen Metamorphosen nicht als Brüche. Hier werden keine unauflösbaren Widersprüche konstruiert, weder zwischen dem Agnostiker und dem Klosterurlauber noch zwischen dem Existentialisten und dem Schöngeist oder zwischen dem auratischen Tenor von „The Sun Ain’t Gonna Shine Anymore“ und seiner schmerzvollen Verdichtung in „The Drift“. Wer in letzterem Meisterwerk Scharlatanerie oder gar pathologische Züge zu erkennen meint, könnte von der Lektüre ebenso profitieren wie jene Unverständigen, die glauben, den Scott Walker der Sixties als Schnulzenheini schmähen zu müssen. Doch, die gibt es.

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