Phillip Boa

Copperfield

Drei Alben aus der Erfolgs-Phase des egomanischen Musikers

Ende der Achtziger waren Phillip-Boa-Platten unter manieristisch-eitel agierenden Jugendlichen symbolträchtiger als die obligatorische verrottete Lederjacke und die aufwendig gezupfte Wuschelfrisur, die man trug. Besonders beliebt: in der Schule mit einem Boa-Album unter dem Arm erscheinen und so tun, als wolle man sie jemandem ausleihen. Wollte man aber gar nicht, hätte man nie getan. Es ging um die Pose und die klare Ansage: Boa-Hörer, noch Fragen? Und jetzt leg dich gehackt! Dass mein damaliger Lehrer Thomas Hermann bei Boa mitmischte, machte die Sache für uns noch spannender. Die flirrend-grimmige Musik ohnehin. Und auch die englische Musikpresse nahm Boa zur Kenntnis und bezeichnete dessen Sound als „reaming mixes of Afro rhythms, distorted guitar, and responding Nichtgesang“. Nun ja. Und wer wollte sich damals wie heute schon zwischen Pia Lund und Kim Gordon entscheiden? Eine orientierungslose, romantische Zeit.

Für sein drittes Album, „Copperfield“ , engagierte der seinerzeit bei dem Major Polydor unter der Obhut des jungen Tim Renner gelandete Boa den Produzenten John Leckie (Pink Floyd, XTC). Leckie besorgte den Final Mix in den Abbey Road Studios und bewirkte hörbar filigranere Songstrukturen. Auch wenn Boa im Nachhinein mit dem Album nicht allzu glücklich war: „Laugh, Planet“, „Lunatics Over London“ und natürlich der Kracher „Kill Your Ideals“ sind großartige Songs und dokumentieren durchaus eine Weiterentwicklung. Als Zugabe gibt es unter anderem das rohe „All I Hate Is You“, „Flowers Of Witness“ und das von Pia Lund gesungene „Child With The Cathand“ zu hören.

Der nach Boas Meinung zu eintönigen Produktion von „Copperfield“ begegnete er auf „Hair“ (1989, 3,5) mit dem Einsatz von nicht weniger als fünf Produzenten, darunter Tony Visconti (der auch Gitarre spielte) und Jay Burnett (New Order, Run DMC). Ein Album der Gegensätze: Eingängigen Songs wie „Container Love“ und „You Sent All My Letters“ stehen Kunstexperimente wie „Bolenria“ und das beschwerliche „Tragic Mastery Of Stock Hausen“ entgegen. Dazu gibt es merkwürdigen Metal („Albert Is A Headbanger“). Avantgarde, Anstrengung und Abwechslung halten sich die Waage. Bonus-Tracks: diverse Remixe (unter anderem Viscontis Version von „Annie Flies The Lovebomber“) und Outtakes.

Für „Hispanola“ (1990, 4,0) griff Phillip Boa fast auf das gesamte Produzenten-Team von „Hair“ zurück. Geschadet hatte es nicht: Der Hit „This Is Michael“ bescherte viel Aufmerksamkeit und ordentliche Verkäufe. Nicht wesentlich schlechter sind indes „I Don’t Need Your Sommer“, „The Day I Lost My Sleep“ und „Jules Verne“. Eines der absoluten Höhepunkte bei einigem Wohlklang ist das brachiale „Love-Hate-Crap!“, ein anderer das verwunschen-versponnene „König Hedon“, das man auch prima angetrunken hören kann. Dazu gibt es zehn Bonus-Tracks, die eingefleischten Boa-Fans (wie auch bei den anderen Reissues) jedoch allesamt bekannt sein dürften. Wer nicht früh genug mit dem Sammeln von Singles und EPs angefangen hat, wird die großzügigen Beigaben zu schätzen wissen. Allein den Westbam-Remix von „Michael“ hat es damals wie heute nicht gebraucht.