Placebo

„The Hut Recordings“

Zu oft hat Brian Molko in den vergangenen 13 Jahren von diversen Katastrophen und Körperflüssigkeiten gesprochen, man mochte es irgendwann nicht mehr hören. Mit dem jüngsten Album „Battle For The Sun“ haben Placebo nun gerade wieder die Kurve bekommen, heraus aus der Nervensägen-Ecke, zurück zur Popmusik.

Mit dem Debüt „Placebo“ (1996, ****) hat damals ja auch alles sehr hoffnungsvoll begonnen. Natürlich richteten Molko und Bassist Stefan Olsdal mit wechselnden Schlagzeugern ihren Gitarren-Pop an Bowie und Bolan aus, doch lag etwas Eigentümliches in ihren zwingenden Liedern- von den Texten, die diese quengelnde Stimme so selbstbewusst sang, ganz zu schweigen. „Nancy Boy“ spielte mit Geschlechter-Stereotypen, „Bruise Pristine“ führte in einen faszinierenden Abgrund.

Bei „Without You I’m Nothing“ (1998, ****1/2) hatten sie ihre Tricks erstaunlich früh perfektioniert. „A friend in need’s a friend indeed/ A friend with weed is better/ A friend with breasts and all the rest/ A friend who’s dressed in leather“- so begann das zweite Album, und es ging munter weiter mit Fetischen und Süchten aller Art, besonders der nach Liebe. Hemmungslos hauten Placebo eine gewaltige Melodie nach der anderen raus, und Molko sang um sein Leben. „The Crawl“ kroch tatsächlich ganz zärtlich ins Bewusstsein, das folgende „Every Me Every You“ bahnte sich unverschämt eingängig den Weg- das Trio konnte fast nichts falsch machen.

Bei „Black Market Music“ (2000, ***) kamen erstmals leise Zweifel auf. Das Sexzwerg-Image und die Rollenspiele wurden langsam zur Masche, die wuchtigen Gitarren verdeckten aber noch manch eher schwachen Song. Immerhin gelang es Molko bei „Special K“, seine Liebe zu Menschen und Substanzen auf entzückende Weise zu vergleichen, auch „Passive Aggressive“ trifft mehr als einen wunden Punkt, und insgesamt stört nur die immer größer werdende Larmoyanz die Party des „borderlining schizo, garantueed to cause a fuss“. Man fing langsam an, sich zu überlegen, ob man Placebo noch einladen würde. Rechtfertigt das bisschen Vergnügen die Aufräumarbeit am Tag danach?

„Sleeping With Ghosts“
(2003, **1/2) kommt, wie damals die Special Edition, mit der Bonus-CD „Covers“ daher, beide braucht man nicht unbedingt. Placebo geben sich redlich Mühe, etwas Neues zu versuchen, doch die Soundspielereien laufen ins Leere. Kein Computergedaddel oder hohle Zeilen wie „Remember me whenever noses start to bleed“ helfen den Stücken aus dem Mittelmaß hinaus. Und die Versionen von „Running Up That Hill“, „Bigmouth Strikes Again“ oder „Johnny And Mary“ haben im Studio sicher Laune gemacht, beim Anhören eher selten. „I Feel You“ liegt der Band gar nicht, „Daddy Cool“ ist hoffentlich ein Witz. Kein guter.

Die definitive Kater-Platte in diesem Werk ist „Meds“ (2006, ***), hier ist der Spaß endgültig vorbei. Und doch schwingen sich Placebo wieder zu eingängigeren Stücken auf, besinnen sich auf ihr Gespür für unwiderstehliche Refrains („Infra-Red“), sparen nicht an Dramatik („Follow The Cops Back Home“). Und bei „Broken Promise“ gibt sich auch noch Michael Stipe die Ehre.

25 „B-Sides“, als Doppel-CD verpackt mit „Live At La Cigale“ (***), sind mehr, als man aushalten kann, beweisen allerdings, dass Placebo noch etliche passable, wenngleich häufig nicht ausgegorene Songs in der Hinterhand hatten. Die beiden DVDs „Once More With Feeling“ (mit allen Videoclips) und „Soulmates Never Die“ (live in Paris 2003, mit Tour-Dokumentation) können in dieser Box dann nicht mehr viel hinzufügen. Wer will schon Bilder haben, wenn einem diese Songs mehr erzählen, als man je wissen wollte? (Hut/Virgin)

Birgit Fuss