Porter Wagoner – The Cold Hard Facts Of Life

Sechs Alben aus den Sechzigern, verteiltauf drei CDs Er konnte sein Comeback mit „Wagonmaster“ noch erleben, sogar ein wenig auskosten: Auftritte mit Neko Case und den White Stripes, ein Late-Night-Gastspiel bei David Letterman, bei dem Porter Wagoner aber schon gezeichnet war vom Lungenkrebs. Am 28. Oktober 2007 fiel der große Vorhang für den Mann, der lange nur noch als Grand-Ole-Opry-Faktotum und Dolly-Parton-Sidekick wahrgenommen wurde. Renaissance und Nachruhm verdankt der Farmersohn aus Missouri nicht zuletzt sechs Mehr-oder-weniger-Konzeptalben, die vor 40 Jahren ein starkes und kommerziell erfolgreiches Stück im Country-Betrieb waren – als 3-CD-Set „The Cold Hard Facts Of Life“ ersteht das Sextett jetzt mit Booklet, detaillierter Diskografie und leichtem Camp-Faktor wieder auf.

Am Anfang stand 1965 die Single „Skid Row Joe“. Die Geschichte vom alkoholkranken Ex-Sänger, der auf der Straße davon träumt, seine längst neu verheiratete Frau wiederzugewinnen, schoss auf Platz 3 der Country-Charts, als es mit Wagoner bergab ging. Autounfall von Bruder Oscar (dem bald der Suizid folgte), Affäre mit Background-Sängerin Normajean. Auszug bei Frau und Kindern: Erschöpft und entnervt warf der Amphetaminen nicht abgeneigte Porter das Handtuch, nur um nach einem Klinikaufenthalt gleich den Titelsong für „Confessions Of A Broken Man“ in Auftrag zu geben. Fürs Cover posierte Wagoner als Penner am Hinterausgang des Ryman, zwecks Präparation wagte er sich ähnlich abgerissen unter die Whiskybrüder in Chicago und Minneapohs. Als wesentliches Stilmittel in der handelsüblichen Nashville-Produktion jener Jahre (samt Background-Sirenen) etablierte Wagoner sein Rezitativ, das den dunklen und oft moralischen Kern seiner Down’n’out-Geschichten treffend freilegt. Wie im abschließenden „My Last Two Tens“ — das sind die Dollar-Scheine, die der Protagonist samt Spitzhacke im Kofferraum bereits für seine Beerdigungs-Helfer beiseite gelegt hat. Country Noir, fürwahr. Und weil es auch 1966 schon reichlich kleine Sünderlein gab, die nicht mit Alkohol, Geld, Karten, Gemütsdunkel und Frauen umgehen konnten, erreichte das Album Platz 6 der Country-Charts. Einen Grammy für die Verpackung gab’s dazu.

Solchermaßen ermutigt, machte Wagoner auf „Soul 0f Convict“ (Platz 1!) gleich als mitfühlender Knastbruder weiter, der fürs Cover hinter Gittern weißes Make-up in Haar und Augenbrauen applizierte. „Folsom Prison“ funktioniert auch hier, aber nicht so gut wie der Titelsong (wieder ein Rezitativ) oder „Let Me In“: Die Geschichte von dem Jungen, der nach dem Tod seiner Mutter die Sing-Sing-Wärter anrieht, ihn doch bitte zu seinem einsitzenden Papa zu lassen, erweicht selbst härteste Knackis, von Normalsterblichen zu schweigen.

Kaum draußen, ließ Wagoner gleich wieder „The Cold Hard Facts OfLife“ prasseln. Das Paar ist falsch, das Appartement tatsächlich seines auf dem Cover. Da erwischt Wagoner seine Frau mit ihrem Liebhaber höchst lebendig, in Songs wie dem gespenstischen „The First Mrs. Jones“, dem Titeltrack und Willie Nelsons „I Just Can’t Let You Say Goodbye“ überleben die Untreuen eher nicht. Und dann gibt’s noch nicht mal ein „Hundred Dollar Funeral“, aber dafür musikalisch mal ein bisschen mehr Twang.

Inzwischen war Dolly Parton in Wagoners Leben getreten, die zum Auftakt des Trinker-Opus „The Bottom Of The Bottle“ auch gleich als Co-Autorin auftrat. In „Wino“ wankt ein verzweifelter Alkoholiker auf der Suche nach dem letzten Tropfen durch die Müll-Kulisse, Bass und Becken liefern den Background-Sound für großes Country-Kino. Sonst weisen Merle Haggard-Standards wie „Swinging Doors“ und „The Bottle Let Me Down“ den Weg zu meist schlackefreiem Honky-Tonk-Sound. Auf dem Cover steckt der (eigene) Geist in der Flasche – tolle Optik!

Der Titelsong für „The Carroll County Accident“, ein von seinem Stammproduzenten Ben Ferguson gestricktes Highway-Drama um einen Autounfall, einen verheirateten Liebhaber und einen verschwundenen Ehering, schaffte noch mal Platz 4. Das drumherum auch lieblos mit älterem Material gefüllte Album konnte die thematische Dichte seiner Vorgänger nicht halten. Wagoner hielt sich an „Banks Of The Ohio“, weiter an Merle Haggard („Sing Me Back Home“) und gab gutgelaunt die Hank Cochran-Parole aus:“The world needs a washin, so why shouldn’t it rain…“ Naja.

Ein gutes Jahr später, im März 1970, hatte „Skid Row Joe-Down In The Alley“ dann seinen letzten Auftritt im Namen von Porter Wagoner. Das Coverfoto kam noch aus den Sessions für „Confessions Of A Broken Man“, die meisten Songs waren halbwegs frisch, etwa aus der Schreibstube von Dolly Parton, die auch die Single „One More Dirne“ lieferte. Die DJs standen allerdings mehr auf die hier leider nicht vertretene B-Seite Jim Johnson“, eine White-Trash-Tragödie um einen gewalttätigen Alkoholiker, der von seinem Stiefsohn erschossen wird, als er seine 13jährige Stieftochter vergewaltigen will.

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