Queen

Flash Gordon

Ein unterschätzter Soundtrack

Beim Gedanken an Queen im Jahr 1980 fällt den meisten Fans „The Game“ ein, das Album, mit dem die britische Band im Juni in den USA ihren Durchbruch schaffte. Wer am operettenartigen Auftreten Freddie Mercurys keinen Gefallen fand, war bei dieser Platte gut aufgehoben. Vorbei die Dramen, jetzt war die Zeit weniger komplexer Songs angebrochen. Der Rockabilly-Song „Crazy Little Thing Called Love“ schaffte es auf Platz eins der Hot 100, ebenso der Funk von „Another One Bites The Dust“. Erfolgreicher würden die Musiker in Amerika nie mehr sein.

Nur ein halbes Jahr nach „The Game“ legten Queen mit dem Soundtrack zu „Flash Gordon“ nach. Das Sci-Fi-Remake des Films von 1936 – der wiederum auf einer Comic-Reihe beruht – stand in Hollywood lange in einer Produktions-Endlosschleife. Dino De Laurentiis wollte ursprünglich Federico Fellini als Regisseur verpflichten, dann Nicolas Roeg, und ein anderer Kandidat, George Lucas, hatte sich mit „Star Wars“ bereits einen eigenen Weltall-Traum erfüllt.

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Der schließlich vom unverdächtigen Mike Hodges inszenierte „Flash Gordon“ ist ein echtes Trash-Fest geworden, mit schlecht sitzenden Vogelmenschen-Flügeln, Roboterkostümen wie einem Spielwarenladen, dazu die Italienerin Ornella Muti in einer Nebenrolle als Prinzessin. Schauspiel-Star Max von Sydow durfte sich, in der Rolle als Diktator Ming, zumindest hinter einem Berg von Schminke verstecken, die ihn aussehen ließ wie eine Mischung aus Stier und Fu Manchu.

Wieviele bereits abgedrehte Szenen von „Flash Gordon“ Queen zur Einstimmung sehen konnten, ist unbekannt. Von ihrer Arbeit abhalten jedenfalls ließen sie sich nicht. Selbstbewusst machten sie sich ran an den Score. „… and I don’t like ‚Star Wars'“ sang Freddie Mercury noch 1978 in „Bicycle Race“, und bei seinen Konzerten setzte er sich auf die Schultern eines als Darth Vader verkleideteten Muskelprotzes. Klare Verhältnisse, wer hier über wem thront. Allerdings hatten auch die Queen-Musiker erkannt, dass Science-Fiction zu Box-Office-Rekorden führen konnte. Der zweite „Star Wars“-Film, „Das Imperium schlägt zurück“, wurde im Mai gerade in Amerika der erwartete Erfolg. Als Vehikel für ihre Songs sollte „Flash Gordon“ daher ideal sein, so das Kalkül.

Erstmals in ihrer Karriere nutzten die Musiker Synthesizer, außerdem bauten sie – aus heutiger Sicht etwas albern wirkende – Dialogschnipsel in die Lieder ein, die die Platte zum Hörspiel machten. Zu Beginn der Vorabsingle „Flash“ dieser interessante Dialog zwischen „Ming the Merciless“ und seiner rechten Hand, Klytus. Gesprächsthema: die Zerstörung des Planeten Erde.

Ming: Klytus, I’m bored. What play thing can you offer me today?
Klytus: An obscure body in the S-K System, your majesty. The inhabitants refer to it as … the planet Earth.
Ming: How peaceful it looks.
(Laserstrahl-Geräusche, Explosionen)
Ming: Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha.
Klytus: Ha, ha, ha, ha, ha, most effective your majesty. Will you destroy this … Earth?
Ming: Later, I like to play with things while … before annihilation.
Ming: Ha, ha, ha, ha, ha, ha, ha.

Was auf dieses Intro folgt, ist dennoch eine der besten Queen-Singles. Ihr allererster Soundtrack-Song ist perfekt: das Flügelschlag-Stakatto von Bass und Piano, vielleicht auch inspiriert durch John Williams‘ Zweiton-Motiv vom „Weißen Hai“,  dazu das minisekündlich abgepasste, wie ein Blitz einschlagende May-Solo. Der fast sloganhafte Einwurf „Flash!“ und der verlangsamte „Just a man“-C-Teil, in dem unser Held als ganz normaler Mensch dargestellt wird: ein Film-Leben in drei Minuten. Alles drin. „The Hero“, der einzig weitere Song der 18 Album-Tracks, hat eine ähnliche Power, er illustriert als Instrumental den Angriff der Hawkmen auf Ming City. Kein Wunder, dass die Band den „Hero“ als Eröffnungsnummer ihrer Tour 1982 wählte. Sind die Dialogschnipsel noch recht camp – die Musik war durch und durch ernst.

Im Gesamtkatalog der Band geht dieser Score dennoch unter. Er wird von den meisten Fans auch nicht als Album wahrgenommen, sondern als Auftragsarbeit, und vor allem als Collage aus Atmosphären. Was natürlich die heimliche Stärke der Platte ist. Die besten Soundtracks sind doch gerade solche, die die Erzählung des Films unterstützen, statt sie selbst zu erzählen. Stücke wie „The Kiss (Aura Resurrects Flash)“ oder „Execution of Flash“ lassen besonders Mercurys wortloser Stimme und Mays Gitarre viel Raum. Verglichen mit den oft dicht gedrängten Arrangements der Band, in der alle vier gleichzeitig viel leisten wollen, wie in „A Night At The Opera“ (1975) oder „Jazz“ (1978), sind die meisten Kompositionen in „Flash Gordon“ von nahezu stiller Leichtigkeit. Ein „ooohooo“ von Mercury hier, eine Melodiefolge des Gitarristen dort. Für einen inneren Film ideale Voraussetzungen.

Nach „Flash Gordon“ würden Queen weiter große Erfolge zielen, spätestens mit „Radio Ga-Ga“ und „I Want To Break Free“ aus dem 1984er-Album „The Works“, wenn auch nicht mehr in den USA. Allerdings erinnerten Mercury, May, Bassist John Deacon und Schlagzeuger Roger Taylor von da an, dank ihrer Videos voller Comicfiguren und Drags, bald selbst an eine Komikertruppe. „Flash Gordon“ sollte kein Gag sein. Wer Queen ein letztes Mal als dunkle, lauernde, zukunftsgewandte Band hören wollte, der lag bei „Flash Gordon“ richtig.