Radiohead – Diamant aus Dreck

Von der Schwierigkeit und Lust, sich neu zu erfinden: radiohead kehren verstärkt auf die Bühne zurück. London, Miami, New York, Oxford - vier Gespräche an vier Orten

In einem dunklen T-Shirt und knallengen roten Jeans betritt Thom Yorke den Catering-Raum der American Airlines Arena in Miami. Das Lächeln auf seinem Gesicht ist etwas gespreizt und nicht so recht überzeugend. „Ich bin halb euphorisch“, sagt er erklärend und schüttet sich einen Kaffee ein, „und halb nervös.“ Erst gestern hatte er in England das Flugzeug bestiegen – seinen verquollenen Augenlidern ist der Jetlag noch immer anzusehen -, nun muss er in wenigen Minuten auf die Bühne steigen. Wir sind bei der Generalprobe der umfangreichsten Tournee, die Radiohead seit 2008 in Angriff nehmen: 58 Konzerte in zehn Monaten – mit Stationen in Nordamerika, Europa, Asien und Australien.

„Die gesamte Produktion – Lightshow, Setlist, alles – steht noch immer auf wackligen Beinen“, sagt er, „aber zumindest haben wir den Stein ins Rollen gebracht.“ Wenig später hört man, wie er hinter geschlossener Tür seine Stimmbänder trainiert, Tonleitern trällert und mit lang gezogenen Aaaaahs einzelne Noten dehnt.

Doch Radiohead stehen nicht nur in den Startblöcken einer neuen Tournee – sie feiern auch so etwas wie eine Wiedergeburt. Die Band beendet gerade eine der problematischsten Phasen ihrer Karriere: knapp drei Jahre des öffentlichen Schweigens und der privaten Irritationen, drei Jahre, in denen Radiohead mit der Frage kämpften, ob die Band überhaupt noch Perspektiven und die Kraft zur Erneuerung habe. Auf „The King Of Limbs“, ihrem wohl hermetischsten Album, produzierten sie ihre vielleicht schönste Musik, weigerten sich aber, das Album zu promoten oder auf Tournee vorzustellen. Man war sich nicht einmal sicher, ob und wann man überhaupt noch einmal als Band auftreten würde.

„Wir eiern noch immer ein wenig herum“, räumt Yorke offen ein. „Bei den ersten Proben für die Tour“, sagt er, „flippte ich völlig aus. Ich sagte nur noch:, Oh nein, wir haben einfach nicht genug Zeit. Ich möchte doch all diese neuen Sachen ausprobieren.'“

Doch als sie wenig später auf der Bühne stehen, spielt die neue sechsköpfige Besetzung – Yorke, Bassist Colin Greenwood, die Gitarristen Ed O’Brien und Jonny Greenwood, Schlagzeuger Phil Selway und der zusätzliche Drummer Clive Deamer, mit dem sie seit einem Jahr arbeiten – souverän, ja geradezu inspiriert. Klang „Bloom“ auf „The King Of Limbs“ noch wie ein rätselhaft zerbrechliches Phantom aus Loops und gespenstischen Beschwörungen, so wird es nun mit orgiastischen Rhythmen und dumpf-verwaschenen Gitarren zum Galoppieren gebracht. Auch „Morning Mr. Magpie“ ist härter und schneller als auf „Limbs“, während „Meeting In The Aisle“ – ein Instrumentalstück – plötzlich wie türkische Surfmusik mit einem TripHop-Einschlag anmutet.

Radiohead haben mehr als 75 Songs für die Tour zusammengestellt, darunter auch Material, das sie erst im letzten Winter in ihrem Studio in Oxford schrieben. Zwei der Neugeborenen, „Identikit“ und „Cut A Hole“, stehen auch heute auf der Setlist, wobei Ersteres laut Yorke „ausgelassen, aber langsam“ ist und „einen schrägen HipHop-Beat“ hat. Er strahlt über das ganze Gesicht. „Es ist die neue Nummer, die sich zielsicher den Platz an der Sonne erkämpft hat.“ Colin, mit 42 ein Jahr jünger als Thom, schätzt vor allem einen anderen Newcomer namens „Full Stop“, nicht zuletzt jene Passage, „in der sich Thoms Stimme zu diesem unglaublichen Falsett emporschwingt. Der Song hat Flügel.“

Der Grund für die neu gewonnene Live-Energie, so Yorke, sei wohl bei Neuzugang Deamer zu suchen, der zuvor bei Portishead gespielt hatte. „Einen zusätzlichen Musiker im Team zu haben, der die alten Sachen mit frischen Augen sieht, war genauso wichtig, wie seinen Input bei den neuen Songs zu nutzen.“ Er hat es sich inzwischen auf einem Sofa bequem gemacht, aber in seiner Stimme ist die nervöse Energie noch immer unüberhörbar. „Im Lauf der Jahre“, sagte er, „trennt man sich von Songs, weil man sie immer nur aus einer eingefahrenen Perspektive spielt. Es ist eine wunderbare Erfahrung, diesen Songs neues Leben einzuhauchen. Man fragt sich nun nicht mehr:, Oh, wie ging die Nummer noch mal?‘, sondern:, Wie können wir die Nummer heute adäquat umsetzen?'“

Das beste Beispiel dafür ist der Titeltrack von „Kid A“. Er wurde aufgenommen, als Yorkes Aversion gegen konventionelle Gitarrenband-Klänge gerade ihren Zenit erreichte. „Kid A“ war eigentlich kaum noch ein Song, sondern ein wolkiges Rauschen, durch das Yorkes Stimme, vom Vocoder verfremdet, wie ein Kinder-Roboter irrte. Bei der heutigen Generalprobe klingt er nun plötzlich imposant und metallisch hart, angetrieben von zwei konkurrierenden Schlagzeugen und abgerundet durch die klassisch anmutenden Piano-Akkorde von Jonny Greenwood.

„Es war ursprünglich wirklich ein Anti-Song“, sagt O’Brien am nächsten Tag in der Hotel-Lounge mit Blick aufs offene Meer. „Inzwischen hat er an Wärme gewonnen, vor allem am Ende. Es ist, als ginge plötzlich die Sonne auf.“ Er räumt ein, dass es jahrelang „verpönt war, dass unsere Songs einfach nur schön waren. Jonny hatte dieses unglaubliche Talent, mit seiner Säge-Gitarre alles in seine Einzelteile zu zerlegen.“

Auch O’Brien, gerade 44 geworden, sieht den Ursprung der Metamorphose bei Clive Deamer. „Heißt es nicht, dass die Beatles plötzlich wieder zivil miteinander umgingen, als sie Billy Preston in die Band holten?“ Er lacht. „Es ist immer gut, jemanden zu haben, der die angestaute Energie aufbricht, der alte Gewohnheiten infrage stellt. Natürlich behaupten Bands ständig:, Wir sind gerade in der besten Phase unserer Karriere‘, machen aber trotzdem miese Musik. Insofern möchte ich dieses Statement auch nicht vom Stapel lassen. Es ist nicht unsere beste Phase, aber es ist eine neue – und eine gute. Wir haben nicht das Gefühl, in einer neuen Band zu spielen, aber in einer Band, die sich selbst immer besser kennt.“

Yorke ist sich da nicht so sicher – noch nicht. „Es ist ein seltsames Gefühl, noch keine definitiven Versionen der neuen Songs aufgenommen zu haben. Weil das nun mal der Zeitpunkt ist, wo man definitive Entscheidungen trifft. Mit einem sechsten Bandmitglied neues Material einzustudieren, ohne es aufgenommen zu haben …“ Er rollt die Augen mit gespieltem Horror. „Es ist alles in der Schwebe. Ich kann mit Worten nicht beschreiben, in welchem Zustand wir uns gerade befinden.“

Jonny, Colin Greenwoods jüngerer Bruder, hat sich zu Thom aufs Sofa gesetzt und erinnert sich, wie ihr Sänger zur ersten Probe in Oxford erschien. „Er kam rein und sagte:, Ich hatte gerade diesen Traum, dass wir für die Proben einen Monat mehr Zeit hätten.‘ Ich dachte nur:, Tja, wär das nicht schön?'“

„Wir haben noch nicht vor Publikum gespielt“, gibt Yorke zu bedenken, „und wissen folglich nicht, ob das Material was taugt. Selbst morgen nach der Premiere werden wir’s vielleicht nicht wissen.“ Er setzt wieder sein schiefes Grinsen auf. „Vielleicht wird’s eine ganze Weile dauern, bis wir’s wissen.“

Genau 20 Jahre sind vergangen, seit Radiohead ihre erste Aufnahme veröffentlichten. Es war die EP „Drill“, wenig später gefolgt von der Single „Creep“, die sich als atypischer Top-40-Hit entpuppen sollte. Seitdem verläuft ihre Karriere erratischer als die jeder anderen etablierten Rockband. Ihre „Hit-Alben“ – darunter auch die beiden US-Charttopper „Kid A“ und „In Rainbows“ von 2007 – sind irritierend und kaum fassbar: Collagen – oder besser: Kollisionen aus rabiaten Gitarrenattacken, kryptischer Dancefloor-Elektronik und widerborstigen, rätselhaften Balladen. Glaubt man Nigel Godrich, ihrem langjährigen Produzenten, war ihr letztes „konventionelles“ Album „OK Computer“. „Letztlich war es ein Gitarren-Album, das seine Fühler auch in andere Bereiche ausstreckte.“ Seitdem beginnen Radiohead die Arbeit an einem neuen Album stets mit dem gleichen Postulat: „Wir klären zunächst einmal“, so O’Brien, „was wir diesmal nicht machen wollen.“

Immerhin gab es im Laufe der vergangenen Jahre diverse Solo-Aktivitäten. „Familial“, Selways erstes Album, erschien 2010; Yorke hat das Debüt seines Nebenprojekts Atoms for Peace fast abgeschlossen; Jonny, als Komponist von Soundtracks und Orchesterpartituren ohnehin gut beschäftigt, hat gerade ein gemeinsames Album mit dem polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki vorgelegt. Nach Auslaufen ihres EMI-Vertrages 2003 machten sich Radiohead auch dafür stark, neue Vertriebsmöglichkeiten von Musik zu testen. „In Rainbows“ war zunächst nur als Download erhältlich, für den man einen frei wählbaren Obolus zahlen konnte. „These Are My Twisted Words“, ein wundervoller Track aus dem Jahr 2009, war völlig kostenlos.

„The King Of Limbs“ wurde aus heiterem Himmel veröffentlicht: Das Album wurde erst eine Woche vor Veröffentlichung angekündigt, auf Publicity dabei völlig verzichtet. Eine konventionelle CD erschien erst einen Monat später. Doch die Überraschungsstrategie ging diesmal nicht so recht auf – wozu die wenig zugängliche Musik natürlich nicht unerheblich beitrug. „Es gab offensichtlich viele Leute, die an der Musik der Band interessiert sind, aber einfach nicht wussten, dass es ein neues Radiohead-Album gab“, so Bryce Edge, einer der beiden Manager. Bis heute hat „The King Of Limbs“ in den USA 307.000 Exemplare verkauft – das erste Radiohead-Album, das den Gold-Status verpasst hat.

Aber diese Rechnung, so Bryce, „beinhaltet eben nicht die drei- bis vierhunderttausend Digi-tal-Versionen, die wir über die Website verkauft haben“. „Die Mehrzahl der Verkäufe geht somit direkt von der Band an die Fans“, so Co-Manager Chris Hufford. „Rein finanziell war es deshalb die erfolgreichste Veröffentlichung, die wir je gemacht haben – na ja, fast zumindest. Bei einem konventionellen Deal hätte die Plattenfirma davon das größte Stück des Kuchens bekommen.“

Nachdem man Deamer engagiert hatte, um die komplexen Drum-Loops von „The King Of Limbs“ auch live reproduzieren zu können, trat die Band 2011 genau drei Mal auf: ein Überraschungsset beim Glastonbury-Festival sowie zwei überfüllte Auftritte in New Yorks Roseland Ballroom. Nach dem Tour-Start in Miami geht die Band nun also in die Vollen: Der umfangreiche US-Tourplan sieht unter anderem Auftritte bei den Coachella- und Bonnaroo-Festivals vor. Laut O’Brien hat die Band „bereits darüber gesprochen, wie sich der Auftritt möglicherweise entwickeln kann. Vielleicht teilen wir ihn in drei Segmente auf, in drei Sätze sozusagen.“ Colin ist von der Idee angetan, zwischendurch schnell mal ins Studio gehen zu können. „Vielleicht machen wir ein paar Schnellschüsse“, sagt er, „gehen übers Wochenende einfach in ein Studio und sehen, was passiert.“

Die Tour ist vorwiegend in dreiwöchige Etappen aufgeteilt, zum Teil aus familiären Gründen. Außer O’Brien, der in London lebt, residieren noch alle Mitglieder in der Umgebung von Oxford. Alle sind verheiratet, von Yorke einmal abgesehen, der aber mit seiner Lebenspartnerin Rachel Owen zusammenlebt, seit sie in Exeter die Uni besuchten. Alle sind als Väter gut beschäftigt: Colin, Jonny und Selway haben je drei Kinder, Yorke und O’Brien zwei. „Meine Kinder wechseln im September die Schule“, sagt Selway. „Ich wollte zu diesem Zeitpunkt zu Hause sein.“

Aber in allen Interviews, die ich im Laufe des vergangenen Jahres mit der Band führte – in Oxford, London, New York und schließlich Miami -, klingt auch so etwas wie Aufbruchsstimmung durch: der Wunsch, sich wieder mit der Welt auseinanderzusetzen, nachdem man zuletzt einfach zu lange am heimischen Herd verbracht hat. Der erste Roseland-Auftritt im vergangenen September war, so O’Brien, „eine hilfreiche Lektion. Der Soundcheck war eine Katastrophe. Die Monitore waren Müll – wir konnten uns selbst nicht hören. Wir hatten den Eindruck, nicht ausreichend vorbereitet zu sein. Aber weißt du was? Es war unterm Strich eine positive Erfahrung. Unsere Manager meinten sogar:, Einer der fünf besten Gigs überhaupt!'“

„Es war ein echter Trip“, bestätigt Yorke, „der größte Adrenalin-Schub, den ich seit Menschengedenken hatte. Weil wir uns eben nicht auf ausgetretenen Pfaden bewegten, nicht unsere eigenen Gräber besuchten, sondern suchend durch die Dunkelheit stolperten. Es war wunderbar.“

„Es gab uns das Gefühl, wieder eine Rockband zu sein“, konstatiert Colin. „Es hat ja durchaus Vorteile, in einer Band mit einer geregelten Arbeitszeit zu spielen: Man steht mit den Kindern auf, bringt sie zur Schule, geht zur Arbeit – und kommt wieder frühzeitig nach Hause. Aber ich habe so viele Freunde in Oxford, die genau diese 9-to-5-Routine haben und ihren Job trotzdem hassen. Es ist einfach frustrierend. Unser Job ist Leidenschaft. Und der Roseland-Gig hat uns daran erinnert, wie wunderbar dieses Gefühl sein kann und sein sollte.“

Es ist ein warmer Nachmittag in New York, der Tag vor dem ersten Roseland-Konzert. Yorke sitzt in der Hotel-Lobby, schlürft Tee und erinnert sich an seine Zeit an der Uni in Exeter, wo er freitagabends als DJ arbeitete. Radiohead – noch unter ihrem ursprünglichen Namen On A Friday – existierten erst als Freizeitprojekt: Man schrieb Songs und nahm Demos nur während der Semesterferien auf.

„Ich war als DJ nicht sonderlich gut“, erinnert sich Yorke, „weil mir die Leute ständig Drinks kauften, damit ich ihre Lieblingsnummer spielte. Am Ende der Nacht konnte ich die Platten überhaupt nicht mehr auseinanderhalten.“ Er erinnert sich noch daran, Electrodance-Tracks von Cubic 22 oder 808 State mit frühem Seattle-Grunge gemixt zu haben. Er war auch beeindruckt, dass Manchester-Bands wie Happy Mondays und Stone Roses Sixties-Psychedelia mit der englischen Rave-Culture kombinierten. Doch dann, klagt Yorke, habe es einen Einschnitt gegeben. „Plötzlich standen nur noch Gitarren für Authentizität. Und wir waren ein Teil davon.“

Seit „OK Computer“ kämpft Yorke unermüdlich dafür, die Band von einer übergroßen Nähe zu klassischem Rock-Instrumentarium und dem gängigen Aufnahmeprozess fernzuhalten. „Bei den Aufnahmen zu, In Rainbows‘ habe ich mir den Mund fusselig geredet. Es war anhaltend frustrierend für mich, dass wir uns tatsächlich genau in die entgegengesetzte Richtung bewegten.“

Mit „The King Of Limbs“ konnte Yorke seine studentischen DJ-Visionen nun endlich realisieren. Die klassischen Rock-Bausteine werden ausnahmslos durch den elektronischen Fleischwolf gepresst: Die Schlagzeug-, Bass- und Gitarren-Tracks sind Samples, die zuvor von den einzelnen Radiohead-Mitgliedern eingespielt, dann bearbeitet, dann übereinandergeschichtet wurden. Yorkes surreale Melodien und seine Haiku-ähnlichen Lyrics geben den nebulösen Gebilden dann ihre endgültige Form. Tracks wie „Lotus“, „Codex“ oder „Give Up The Ghost“ sind mehr vage Andeutungen als explizite Songs, ein exotisches Murmeln, das keine Eile hat, sich zu einem konkreten Statement zu verdichten. „Ich kann verstehen“, sagt Yorke heute, „dass viele Leute befremdet waren. Mir war damals einfach nicht bewusst, dass das Album ein in sich geschlossener Planet ist.“

„Wir wollten nun mal nicht zu unseren Gitarren greifen und konventionelle Akkordfolgen schreiben“, sagt Jonny Greenwood. Er sitzt in einem Café nahe der Abbey Road, wo Radiohead 1995 Teile ihres zweiten Albums „The Bends“ aufnahmen. „Andererseits wollten wir auch nicht nur vor einem Computer hocken. Wir wollten einen dritten Weg wählen, der das Handwerkliche mit dem Programmieren verband.“ Es sollte eine unerwartet langwierige Spurensuche werden: Radiohead arbeiteten an „The King Of Limbs“, von Pausen unterbrochen, von Mai 2009 bis Januar 2011.

Jonny – groß und zurückhaltend, seine schwarze Mähne ständig im Gesicht – ist das einzige Bandmitglied, das keinen Uni-Abschluss hat. Er brach sein Studium (Psychologie und Musik) vorzeitig ab, als die Band 1991 einen Plattenvertrag bekam. Als Musiker dürfte er allerdings Radioheads größtes Talent sein: Er ist ein klassisch geschulter Cellist, der auch Geige und Klavier spielt. Jonny war es auch, der die Software entwickelte, um die Instrumente für „The King Of Limbs“ zu sampeln. „Es war die glücklichste Zeit meines Lebens“, sagt er erklärend, „als ich als Kind in meinem Zimmer hockte und mich mit bescheuerten Computerspielen beschäftigte.“

Die Aufnahmen zum jüngsten Album, glaubt er, hätten sich deshalb so kompliziert gestaltet, weil „wir wussten, dass ein Song wie, Bloom‘ zwar vielversprechend war, aber immer noch unfertig. Wir wussten, dass der Song fast schon sein Potenzial erreicht hatte. Aber dann lieferte Colin diese Bass-Figur und Thom fing zu singen an – und plötzlich war der Song hundertmal besser. Das Material wartete nur darauf, den richtigen Dreh zu bekommen.“

„Im Studio arbeiten sie wie keine andere Band“, weiß auch Godrich, der an jedem Radiohead-Album seit „OK Computer“ beteiligt war. „Sie wären nie in der Lage, so etwas wie, Bohemian Rhapsody‘ aufzunehmen, weil sie dafür nicht das nötige Standvermögen haben. Wenn es sich nicht spontan ergibt, wird Thom gleich unruhig. So tickt er einfach nicht.“

Godrich nennt als Beispiel einen klassischen Radiohead-Song, der im Studio aber nie abgeschlossen wurde: „True Love Waits“ – eine Ballade, die auf der Bühne noch immer gerne gespielt wird. „Wir haben es unzählige Male versucht, aber es funktionierte einfach nicht. Es ist Ironie des Schicksals, dass es nun nur eine beschissene Live-Version gibt (auf dem Live-Album „I Might Be Wrong“ von 2001). Thom muss einfach erst fühlen, ob ein Song seine Daseinsberechtigung hat, ob er so viel Substanz besitzt, dass er auch eine Aufnahme rechtfertigt. Wir hätten aus, True Love Waits‘ eine schöne John-Mayer-Nummer machen können, aber das will niemand.“

Es gibt zwei Gründe, warum Radiohead „Limbs“ voriges Jahr nicht mit einer Tour unterstützten. Zum einen: „Wir konnten uns nicht vorstellen, dass man das Material live umsetzen kann“, sagt Jonny. Der andere Grund „war zum Teil mein Fehler“, gesteht Yorke. Das Album „löste plötzlich diese Vielzahl wüster Optionen aus“. Er wollte zunächst umgehend wieder ins Studio zurück, entschied sich dann aber doch dagegen, „in der gleichen Machart weiterzumachen. Wir konnten das also nicht, konnten das Material aber auch nicht live spielen. Scheiße, was nun?“

Die Antwort war Deamer, der mit seinen 51 Jahren ein gestandener Jazz- und Dancemusic-Drummer ist, aber auch schon mit Leuten wie Robert Plant gespielt hat. „Ich liebe seine Arbeit seit Ewigkeiten“, so Selway. „Er war für uns einfach der offensichtliche Kandidat.“ Anfang des vergangenen Jahres setzten sich die beiden zusammen, um die neuen Songs daraufhin durchzugehen, welche der aufgetürmten Drum-Loops live überhaupt spielbar seien. Genau ein Jahr später, nach Ende der Tour-Proben in Oxford, ist Selway am Telefon: „Alle Möglichkeiten stehen uns offen“, erzählt er enthusiastisch und vergisst für einen Moment seine britische Reserviertheit. „Wir stellen mit Begeisterung fest, dass die Dynamik zwischen uns wundervolle Früchte trägt und wir die Tür weit aufgestoßen haben. Viele Bands in dieser Phase ihrer Karriere bekommen die Möglichkeit überhaupt nicht mehr – oder merken gar nicht, dass sie eine neue Chance haben.“

„Andererseits“, gibt Yorke später zu bedenken, „wären wir nie und nimmer da, wo wir live heute sind, wenn wir uns nicht vor die digitalen Plattenspieler gehockt hätten und das Album Sample um Sample zusammengefügt hätten. Es ist unvorstellbar, dass sich ohne dieses Vorgehen die heutige Dynamik entwickelt hätte.“

Auf die Frage, welcher Song sich live am radikalsten verändert habe, nennt Yorke „Lotus Flower“. „Mit den beiden Drummern bekam die Nummer plötzlich eine richtig fiese Note – was mir ausnehmend gut gefällt.“ Er stimmt mir auch zu, dass „Give Up The Ghost“ – auf Platte eigentlich eine eher minimalistische Ballade – beim Roseland-Gig zu einem dröhnenden, sich wiederholenden Mantra mutierte – nicht zuletzt dadurch, dass Jonny Yorkes Live-Vocals sampelte und verfremdet wieder einspielte. „Man sampelt halt die Geräuschkulisse des ganzen Raums, immer und immer wieder. Wie das in einer großen Arena klingt …“ Yorkes Augen weiten sich mit Vorfreude. „Ich hab schon fast vergessen, wie das klingt. Könnte etwas Besonderes werden.“

An einem kühlen Sommertag flaniert Colin durch den alten Stadtkern von Oxford und macht mich mit den historischen Highlights der Stadt vertraut. Er zeigt auf eine schmale Tür, die zum Modern Art Oxford führt, einer der führenden Kunst-Galerien im Ort. Wenn sie nicht im College saßen oder Musik machten, hingen die künftigen Radioheads hier in der Lounge ab und „redeten fünf Stunden lang ununterbrochen, den Kaffee stets in der Hand“.

Um die Ecke herum zeigt er auf einen Kleiderladen namens „Cult“ und erzählt milde lächelnd, dass Yorke in einer anderen Niederlassung dieser Kette als Verkäufer gearbeitet habe. Man kann es sich plastisch vorstellen: Thom Yorke, dieser Ausbund an nervöser Energie und tödlicher Ironie, beim Kundengespräch über die neuesten Designer-Jeans.

Als wir eine Telefonzelle passieren, erinnert sich Radioheads Bassist an die ersten stümperhaften Versuche, eine Studioaufnahme zu organisieren. „Es gab nun mal noch keine E-Mails oder Handys“, so Colin. „Wir gingen zu einem Telefonhäuschen, warfen Münzen ein und riefen ein Studio an.“ Als sie einmal fragten, was eine Session kosten würde, „sagte der Bursche, 900 Pfund‘, worauf wir uns umgehend bedankten und gleich wieder auflegten“. Radiohead nahmen „Pablo Honey“, ihr erstes Album, schließlich bei einem Produzenten auf, der in den Sechzigern mit der frühen Version von Fleetwood Mac zusammengearbeitet hatte.

Wir kommen zum Bear Inn, einem prähistorischen Pub („established in 1242“) mit beängstigend niedriger Decke. Colin, in Oxford geboren, und Yorke, der aus einem kleinen Städtchen namens Wellingborough stammt, lernten sich bereits als Kinder kennen, als sie klassischen Gitarrenunterricht in der Abingdon School außerhalb von Oxford nahmen. Obwohl noch minderjährig, orderten sie im „Bear“ Alkoholisches und debattierten über die Bands, die sie sich für ihre eigene Gruppe als Vorbild ausgeguckt hatten: New Order, Talking Heads und – Yorkes Favorit – R.E.M.

Bei einem Ale am Tisch vor dem „Bear“ erinnert sich Colin noch gut an „diese wundervolle Geräuschkulisse“ bei ihren ersten Auftritten, „als wir in einem Pub auftraten, ich mir den Bass-Verstärker noch ausleihen musste und man vorab vier Dosen Lager trank, um sich zu allererst den Mut anzutrinken“. Unter dem Namen On A Friday traten sie 1986 zum ersten Mal im Jericho Tavern auf – Selway, der Älteste, war 19, Jonny noch nicht einmal 15.

Als wir später vor einem Restaurant in einem typischen Wohnviertel stehen, zeigt Colin auf eine weitere Station ihrer Pilgerfahrt: ein Haus an der Kreuzung von Magdalena Road und Ridgefield Road, das Colin, Selway und O’Brien im Sommer 1991 anmieteten. Die Band brachte hier ihr Equipment unter, und alle fünf Mitglieder lebten in diesem Haus, in wechselnden Konstellationen, für etwa ein Jahr. „War eine gute Zeit“, sagt Colin mit einem Seufzer, „auch wenn sich Jonny immer weigerte, beim Geschirrspülen zu helfen.“

Selway beschreibt die Phase als „ideales Training für das Leben im Tour-Bus. Die Pizza-Schachteln stapelten sich in den Ecken. Es wurde so unerträglich, dass sich jemand erbarmen musste, um einmal gründlich aufzuräumen. Ein Jahr lang ging’s hier zu wie im Taubenschlag. Ich glaube, Colin zog in mein Zimmer, nachdem ich es gerade mal schön dekoriert hatte.“

Yorke stieß dazu, nachdem er seinen Abschluss auf dem Exeter-College gemacht hatte. „Oft kamen wir von einem Gig zurück“, erinnert er sich, „und hatten auf dem Anrufbeantworter Nachrichten von zehn A&R-Leuten.“

Das Haus in der Ridgefield Road markierte das Ende von Radioheads Pubertät. Sie verstanden sich inzwischen als professionelle Band, die sich immer verbissener in ihre Arbeit stürzte. Jonny erinnert sich an eine Zeit um Weihnachten, als er selbst noch aufs Gymnasium ging: „Wir probten jeden Tag, selbst am Heiligen Abend. Es war wirklich schon pervers. Dabei gab es keinerlei konkrete Perspektiven. Wir verbissen uns in die Songs und arbeiteten an nebulösen zukünftigen Zielen, auch wenn diese Ziele noch überhaupt nicht durchdacht oder ausformuliert waren. Aber diese Intensität war es, die die Gruppe schon immer ausgezeichnet hat. Alles dreht sich um die Instrumente, die wir spielen, alles um die Songs, die wir schreiben und über die wir diskutieren.“

„Ich glaube, zu diesem Zeitpunkt schrieben wir auch, Creep'“, sagt Yorke, als ich ihn auf die Zeit um Weihnachten anspreche. „Es gibt Phasen, wo die Energie einfach hochkocht, wo man sich nicht einmal dazu zwingen könnte, bewusst abzuschalten. Wenn man sich in die Arbeit kniet, wenn der Funke zündet und alles in Butter ist, passieren die tollsten Sachen wie von selbst.“

Yorkes Aversion gegen Tourneen machte sich schon damals bemerkbar, ebenso seine Abneigung gegen die Verhaltensregeln, die man gewöhnlich von einer „Major Label“-Band erwartet. Manager Edge erinnert sich an „einen legendären Gig“ in Las Vegas, „nachdem man uns kreuz und quer durchs Land gejagt hatte, weil die amerikanischen Promo-Jungs offensichtlich nicht mit der Geografie ihres eigenen Landes vertraut waren. Wir spielten zusammen mit Tears For Fears eine Radio-Show, und alle hatten die Hasskappe auf.“ Während der Show zerstörte Yorke „in einem plötzlichen Wutanfall“ die halbe Lichtanlage auf der Bühne. Edge legt allerdings Wert auf die Feststellung, dass „es völlig undenkbar ist, dass er heute noch so ausrasten könnte“.

Yorke selbst schaut auf seine jugendliche Inkarnation des gequälten Künstlers – auch eindrucksvoll in „Meeting People Is Easy“, der Doku über ihre „OK Computer“-Tour, festgehalten – mit einem Achselzucken zurück. „Ich war einfach tödlich gelangweilt“, erklärt er seine Aggro-Zombie-Persona jener Zeit. „Ich liebte das Album, aber die Vorstellung, mit diesen Songs nun eineinhalb Jahre lang eingesperrt zu sein, ohne jede Aussicht auf Veränderung – damit hatte ich schon zu kämpfen. Wenn wir ans Ende eines Songs kamen, stand ich da einfach auf der Bühne und war wie eingefroren. Heute verstehe ich ja, warum wir all diese Shows spielten, weil wir sonst nicht da wären, wo wir heute stehen. Aber damals hab ich einfach die Nerven verloren. Wir haben als Band eben verschiedene Phasen durchlaufen – und das war eine üble.“

„Was uns von anderen Bands unterscheidet“, springt ihm Jonny bei, „ist doch die Tatsache, dass wir immer von Songs besessen waren. Die Tourneen sind letztlich nur ein Abfallprodukt.“

„Auch damals waren wir nie die dicken Freunde“, erinnert sich O’Brien an die Zeit im Ridgefield-Road-Haus, „sondern eher eine verschworene Gemeinschaft. Wir hatten ein gemeinsames Ziel. Es ging nur darum, zusammen unsere Träume zu verwirklichen. Und es gab nie einen Zweifel, dass wir es schaffen würden. Es passierte, weil die Welt da draußen sich entschloss, unsere Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Aber eines möchte ich doch festhalten: Sie sind wie Brüder für mich, auch wenn das einige in der Band vielleicht noch nicht begreifen. Wir werden eines Tages alle am Grab der anderen stehen. Wir haben unseren Weg gemeinsam zurückgelegt. Wir sind Familie.“

Das, glaubt Colin, sei „eine innere Stärke, die wir uns gewöhnlich nicht eingestehen wollen. Dafür sind wir viel zu sehr Briten.“

„Es gibt einen physiologischen Aspekt dabei, den ich als sehr interessant empfinde – das Atmen“, sagt Yorke, als ich ihn danach frage, was in seinem Kopf vorgeht, wenn er singt. „Es ist ein meditationsähnlicher Zustand – so als stände man in einer U-Bahn-Station, während gerade ein Zug durchrauscht. Die Dinge fließen einfach an dir vorbei, ob es Züge oder Menschen sind. Ich habe Jahre gebraucht, um mir diesen Zustand anzueignen, indem ich Michael Stipe oder Jeff Buckley beobachtet habe.

Die Band trifft sich mit Edge und Hufford, um die weiteren Tour-Pläne für 2012 zu diskutieren. O’Brien beschreibt das Meeting später als „angespannt“, und Yorke klingt nicht minder beunruhigt: „Die ganze Maschinerie, die mit einer Tour verbunden ist, lässt mich manchmal ausflippen.“

„Wir wollten eigentlich nie groß werden“, fügt er an. „Ich möchte jedenfalls nicht, dass man uns deswegen liebt. Vielleicht könnte man sagen, das sei egoistisch gedacht. Man kann aber auch sagen: Das ist jemand, der einen Kick daraus bekommt, to fuck with your head.“ Yorke spricht die letzten Worte mit lustvoller Betonung aus.

„Denn darum geht es doch: Man jongliert mit allen nur erdenklichen Möglichkeiten, man kreiert Chaos und hofft, dass etwas Positives daraus entspringt. Ich suche nur nach den kleinen Diamanten im Dreck.“

Exit Music

JÖRN SCHLÜTER über die acht Alben der Band, die niemals konventionelle Rockmusik spielen wollte – und es bis heute auch nicht tut

Pablo Honey 1993 **1/2

Fast die Platte einer ganz normalen Band: Radiohead spielen auf ihrem Debüt aus UK-Warte den US-amerikanischen Grunge jener Zeit. Smiths-Melodie trifft Buffalo-Tom-Gitarre, Dinosaur-Jr.-Slackertum trifft U2-Melodram, Thom Yorke versucht sich als herkömmlicher Sänger. Im Nachhinein erkennt man, dass nachfolgende Großtaten trotzdem bereits angelegt sind – natürlich auch bei „Creep“, Yorkes Lied über adoleszente Selbstverachtung.

The Bends 1995 ****

Radiohead spielen die eingängigste Musik ihrer Karriere: Auf „The Bends“ weicht der Schülerband-Grunge groß angelegtem Rock. Doch es rührt sich etwas unter diesen vermeintlich einfachen Liedern – Songs wie „Fake Plastic Trees“ oder „My Iron Lung“ haben schon die hypnotischen Akkordwechsel von „OK Computer“, auch Yorkes Angstfalsett entfaltet sich. Radiohead sind jetzt die Antithese zu Oasis und Blur und liefern die Blaupause für den Antihelden-Pop von Coldplay und Keane.

OK Computer 1997 *****

Die Verpuppung: Radiohead dehnen die Konventionen bis zum Bersten und machen eine extrem intuitive, schwindelerregend gute Platte. Der hymnenhafte Grunge, die Popexperimente, alles vorbei – Radiohead stellen auf Empfang und musizieren unerhört frei und mutig. Vor allem natürlich Yorke, der hier singt wie Munch in seinem Bild „Der Schrei“. Doch soll man nicht den anderen Trumpf der Platte vergessen: das großartige Songwriting. Seltsame Akkordwechsel, Trauergesänge, komplexe Songstrukturen: „Paranoid Android“, „Karma Police“ und „No Surprises“ sind nichts weniger als genial.

Kid A 2000 ****

Bestand die Genialität von „OK Computer“ darin, dass die Band die Konventionen noch mitdenkt, fasziniert „Kid A“ mit der – so schien es damals – totalen Auflösung. Die Leute sprachen von Krautrock und Elektro, doch die Platte ist weniger Stil als Schwärmerei, Zungenrede und neugierige Collage. Synthies blubbern wie Kinderstimmen, Beatfragmente flirren, Yorke jammert und heult, was das Zeug hält. Beim Wiederhören findet man das Album nicht mehr ganz so radikal, weil mit u. a. „Morning Bell“ und „How To Disappear Completely“ ja doch melodisch klar konturierte Lieder im Set blieben. Dass dieses Album schnurstracks an die Spitze der US-amerikanischen Charts ging, bleibt dennoch unfassbar.

Amnesiac 2001 ****1/2

Natürlich sind „Kid A“ und „Amnesiac“ nicht zuletzt Vermeidungsplatten – das Werk von überheblichen jungen Briten, die die Standards lachhaft finden. „Amnesiac“ entstammt denselben Sessions wie „Kid A“ und klingt also ähnlich. Doch es hat die besseren Kompositionen – allen voran natürlich „Pyramid Song“, Yorkes hypnotische Traumvision von schwarzäugigen Unterwasserengeln. Ein besseres Lied findet sich schwerlich im Repertoire der Band aus Oxford. Doch auch der erschreckende Jazzblues von „You And Whose Army“ und das an „OK Computer“ erinnernde „Knives Out“ bleiben für immer.

Hail To The Thief 2003 ****

Radiohead hatten die Vorteile des Ensemblespiels wiederentdeckt und in der Scheune in Oxfordshire gemeinsam neue Lieder geschrieben, die wieder mehr nach Band und Interaktion klangen – allein deshalb, weil es auf „Hail To The Thief“ Links-rechts-Gitarren und so etwas wie klare Songstrukturen gibt. Sturm und Drang wichen der Ruhe des arrivierten Künstlers, doch der Schönheit und dem ewigen Moment ist die Band auf diesem Album weiter auf der Spur – mit gelungenen Liedern wie „Sit Down Stand Up“ und dem vergleichsweise konventionellen „Go To Sleep“.

In Rainbows 2007 ***1/2

Radiohead ließen die Käufer entscheiden, was sie für das neue Album zahlen wollen – der als wegweisend geplante Coup war dann nicht mehr als ein bald vergessenes Statement zu den sich verändernden Strukturen des Musikerwerbs. Musikalisch folgt „In Rainbows“ dem Vorgänger, wobei Radiohead sich noch mehr zum Regenbogen sehnen und betont romantische Akkorde finden. Sogar ein Soullied ist auf der Platte! Wunderschön, aber ohne ganz große Errungenschaften.

The King Of Limbs 2011 ****

Die Band hatte die Nase voll von Langspielplatten und Studiosessions und machte alles anders: „The King Of Limbs“ entstand offenbar zu weiten Teilen aus Samples und Remixes zuvor gemachter Aufnahmen. Kreation, Dekonstruktion, Verwandlung – Radiohead durchleben die drei Schaffensphasen ihrer Geschichte auf einem einzigen Album. Das Repertoire ist reizvoll, weil einige dieser nervösen, minimalistischen und fragmentierten Selbstversuche eine faszinierende Atmosphäre entstehen lassen. Doch man wird das Gefühl nicht los, dass die Band vor allem mit sich selbst beschäftigt ist und man die Platte eigentlich nur verstehen kann, wenn man bei ihrer Entstehung dabei war. Ein Moment des Umbruchs: Was kommt jetzt?

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