Razorlight

„Slipway Fires“

Nichts gegen dicke Hosen. Rein gar nicht gegen dicke Backen, Geckentum und Selbstverherrlichung. Unbenommen, dass die Qualität eines Albums nicht durch affiges Verhalten mancher Protagonisten geschmälert wird. Leider ist „Slipway Fires“ allerdings so fade geraten, dass die bizarre Schere zwischen Selbstreputation und musikalischem Schaffen von Razorhead-Sänger Johnny Borrell daran fast noch das Interessanteste ist.

Prächtige Vergleiche hat dessen Gebaren bereits aus britischen Rezenten herausgekitzelt: Er klänge wie ein Schaf, das vom Geist eines Massenmörders besessen sei, wenn er beim Singen noch etwas mehr heiße Luft heraus presste, könnte man ihn als Handtrocknergebläse an die Klowand schrauben, und ganz „Slipway Fires“ müffele nach ihm wie eine Mülltonne nach Urin.

Ganz so dicke kommt es in Wahrheit nicht. Nach der donnernden Melancholie des Debüts und dem erschreckend abgeschmackten zweiten Album klebt das dritte Razorlight-Album im kraftlosen Mainstream-Indie, wild in alle Richtungen schielend und dabei teilweise so klischeeberstend wie eine lächerliche Vorabendserie.

Immerhin gibt es mit „Hostage Of Love“ schon mal eine 1A-Jesus-Fantasie: „I’ve been crucified just for telling my story!“ und „I am salvation!“ heißt es hier in aller albernen Pracht, gefolgt von einer ebenfalls amüsanten Jugendkritik: „Tabloid Lover“: „These middle class kids are so strange!“, singt Mr. Wunderlich.

„60 Thompson“ ist manierliche Folk-Klimperei, „North London Trash“ dann Razorlights ganz persönliches „Johnny From The Block“, in dem Borrell beteuert, trotz „hotbodied girl-friend“ stets noch ganz der Alte zu sein.

Dazwischen episch gemeinte Piano-Balladen und zum argen Ende die James-Blunt-Sterbe-Ballade „The House“. Alles zusammen nicht überkandidelt genug, um als Kuriositätensammlung zu gelten, und leider auch nicht groß genug, um damit tatsächlich im Stadion reüssieren zu können. (Universal)

Anja Rützel