Regina Spektor – Far

Drei Alben lang kannte man sie als die Klavier spielende, leicht verhuscht wirkende Strokes-Freundin und Anti-Folk-Kollaborateurin – sofern man sie überhaupt kannte. Die Musik auf diesen Platten hatte etwas Fragiles, Unfertiges und auf der besten von ihnen, „Soviet Kitsch“, ein geheimnisvoll-exotisches Moment. Dann nahm Regina Spektor das größer gedachte „Begin To Hope“ auf – und tatsächlich gelang ihr der Durchbruch.

Damit hat sie sich für größere Aufgaben empfohlen, weshalb ihr nun gleich vier prominente Produzenten zur Seite gestellt werden. Doch hinterlassen Jeff Lynne, Garret „Jacknife“ Lee, Mike Elizondo und David Khane kaum nennenswerte Spuren. Naturlich ist Spektor noch poppiger geworden, eingängiger auch – aber keineswegs gefällig.

Immer noch betreibt sie ihre herrlich zerdehnten Langvokal-Exkursionen und widmet sich den großen Fragen. So mündet die elegische Betrachtung „Blue Lips“in der Erkenntnis: „Blue, the most human colour/ Blue lips, blue vein, blue/ The color of our planet from far far away.“ Dazu passend sitzt sie auf dem Cover am offenen Fenster, natürlich auf einem Klavierschemel. Das Fenster ist zugemauert, aufihren himmelblauen Flügel werden trotzdem von irgendwoher Wolken projiziert, ihren Gesichtsausdruck könnte man als melancholisch-fröhlich bezeichnen. So genau weiß man das bei ihr nie.

Denn Spektor könnte auch sein: eine Aristrokatin aus einem verarmten osteuropäischen Adelsgeschlecht. Oder eine Zigaretten mit Spitze rauchende, mysteriöse Exilantin in einem Pariser Salon der 1920er Jahre. Oder eben die Williamsburger Hipster-Muse, als die sie oft beschrieben wird.

Einmal wird’s banal: Die Drive-In-Mentalität moderner Teilzeit-Gläubiger verurteilt Spektor in „Laughing With“ bisschen naiv: „No one laughs at God in a hospital/ No one laughs at God in a war/ But God can be funny at a Cocktail party when listeningto a good God-themed joke.“ Man könne doch auch mit Gott lachen. Dazu passt, dass etwa bei „The Calculation“ Alanis Morissette anklingt.

Ja, sie ist auch eine Bekenntnissängerin. Aber ihre Emotionalität ist mit dem richtigen Maß an Weirdness geerdet, allzu schlichte Eindeutigkeiten vermeidet sie meist. „Dance Anthem Of The Eighties“ etwa ist kein solches, sondern eine arabisch eingefärbte Straßenbeobachtung mit brummenden Bläsern, stupendem Beat – und einem Seitenhieb auf Britney Spears: „I’m walking through the city/ Like a drunk, but not with my slip showing a little“. Herrlich.

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