Robbie Williams

Sing When You’re Winning

Das dritte Solo-Album von Robbie Williams: Langsam befreit er sich aus seiner Drogensucht, das Songwritertandem mit Guy Chambers festigt sich. Der Brite steigt zum Superstar auf.

Robbie Williams hatte bereits bewegte Zeiten hinter sich, als er vor 15 Jahren diese Platte veröffentlichte. Mit Take That war er der Mann bereits Anfang der 90er zum Teenie-Idol aufgestiegen. Doch das feste Korsett, das das Leben in einer Casting-Gruppe forderte, wurde für Williams zu einer Belastung. Es arbeitete gegen den Freiheitsdrang des verkannten Musikers. Williams verließ 1995, auf dem Höhepunkt von Take That, die anderen vier.

Damit hatten Take That ihre charismatischste Figur verloren – und somit auch ihr größtes Kapital. Letztlich war das Ausscheiden Williams‘ ein derart schwerer Schlag, dass der pausbäckige Gary Barlow die Band Anfang 1996 schließlich auflöste. Vorerst.

Ziellose Jahre

Nach dem Ausstieg irrte Williams umher, nahm zu viele Drogen und lungerte mit der Entourage der Gallaghers herum. Im Video zu seiner ersten Solo-Single „Freedom“ – einem allenfalls lauwarmen Cover des Songs von George Michael – war er als ein deutlich übergewichtiger Mann zu sehen. Trotz des programmatischen Titels deutete wenig darauf hin, dass der Musiker je in der Lage sein würde, ein eigenständiges künstlerisches Profil zu entwickeln. Geschweige denn ein glücklicher Mensch zu werden.

Mehr zum Thema
"Don’t put that up on YouTube!": Robbie Williams flirtet auf der Bühne mit einer 15-Jährigen - und bereut es sofort

Doch aus der Retrospektive betrachtet, sollten sich die Eskapaden, die Peinlichkeiten, die Drogen, die Denunzierung als „fat-robbie“ durch die Presse, zum Vorteil für die Identitätsausbildung des späteren Popstars erweisen. Hier stand jemand mit offenem Visier, schutzlos und angreifbar. Ein melancholischer Bad Boy, der sich vor Publikum neu erfinden musste – die Dämonen der Vergangenheit waren es schließlich auch, auf denen Williams zumindest inhaltlich seine halbe Karriere aufbauen konnte.

Doch noch fehlte der Hit. Das Debüt „Life Thru A Lens“ wurde von Kritikerseite gefeiert, der vergleichsweise kratzbürstige Rock mit Glam-Einschlag überraschte. Das Album verebbte aber zunächst an der Ladentheke. Das änderte sich, als kurz vor Weihnachten 1997 die neue Single „Angels“ veröffentlicht wurde. Die zeitlose, emotionale Stahlkraft des Songs, gepaart mit der effektvollen Schwarz-Weiß-Ästhetik des von Vaughn Arnell konzipierten Videos waren es schließlich, die Williams in den Rock-Olymp aufstiegen ließen. Doch auch wenn er mit „I’ve been expecting you“ solide nachlegte, stand es um die Person Williams weitaus schlechter.
So musste er sich vor den Arbeiten an „Sing When You’re Winning“ entscheiden, ob er sich endgültig seiner Drogensucht hingeben oder sich als Popstar nachhaltig etablieren wollte. Der Songwriter Guy Chambers fungierte als zentrale Figur, die Williams immer wieder erden sollte.

Reue und Sgt. Pepper

Anders als die beiden Vorgängeralben ist „Sing When You’re Winning“ nicht hauptsächlich im Britpop verhaftet. Auch wenn Robbie Williams auch bei seinen späteren Alben mit Stephan Duffy nie radikal experimentierte, gibt es auf dieser Platte psychedelische Anleihen, Dance-Pop und Country-Twang. Very british mutete das Werk freilich immer noch an, dazu genügte schon ein Blick auf das Cover, das den Fußballfan in mehrfacher Ausarbeitung in Trikot und Jubelpose zeigt.

Inhaltlich spiegelt das Album die Ambivalenz der Person Williams gut wider. Die Reumütigkeit in „Better Man“, offenbart den Willen die Dinge neu zu ordnen. „Lord I’m doing all I can, to be a better man“. Die Ballade, für die Noel Gallagher seinen Bruder immer noch jeder Zeit verkaufen würde. Was hier funktioniert, schlittert im Opener „Let Love Be Your Energy“ nur knapp an der musikhistorischen Parodie vorbei. Akribischer hat wohl noch niemand die Bläsersätze aus „Sgt.Pepper“ kopiert.

Für einen Skandal sorgte das Video zu „Rock DJ“, welches die Transformation Williams‘ in einen Zombie zeigt. Der Song selbst wirkt heute mit seinen unbeholfenen Dance-Funk-Elementen antiquiert, da helfen auch die permanenten Aufforderungen nicht weiter, man solle seinen Körper bewegen.

Mut zur Entschleunigung

Hat man das nervige Rockbrett „Kids“, ein Feature mit der damals wieder rehabilitierten Kylie Minogue, überstanden, wird die Platte toll. Statt krampfhaftem Bemühen um Neues, stehen schlicht arrangierte, aber gut komponierte Songs wie „Singing For The Lonely“ im Zentrum. Wenn auch nicht immer frei von Kitsch, wie „Love Calling Earth“ beweist:„This Is Love Calling Earth, Do You Know How much It hurts?, I’ didn’t die overnight, In the wind I had candlelight”. Trotzdem gehört die zweite Albumhälfte mit zum Besten, was Robbie Williams je veröffentlicht hat.

„By All Means Neccesary“ offenbart eine neue Form der Reife, die man dem Kindskopf bisher nicht zutraute.
“All the makeup that you wear
Can’t hide the flaws
Your work in charity for your own cause
You won’t be dating a teacher
You’d rather shag a manic street preacher. “

Der Closer „The Road To Mandalay“ evoziert Melancholie und Lebensfreude gleichermaßen und holpert und poltert, dass man sich doch glatt bei den Waterboys für die künstlerische Vorarbeit bedanken möchte. Wenn auch nicht alles glänzt auf dieser Platte, so besitzt sie ein starkes künstlerisches Profil, Charme und Charakter.

Mehr zum Thema
Obwohl Jimmy Page dagegen war: Nachbar Robbie Williams darf nun doch renovieren

Nach dem erhofften Erfolg mimte Williams ein Jahr später den Dandy, swingte sich – auf den Spuren von Frank Sinatra – mit dem Schwesteralbum „Swing When You’re Winning“ durch die Royal Albert Hall, ging mit Nicole Kidman in „Something Stupid“ ins Bett, und konnte einfach nichts falsch machen. Ein Karrierehöhepunkt war der Auftritt im Knebworth Park Anfang August 2003 an drei Tagen hintereinander, als ihn 375.000 Menschen sehen wollten. Ein schicksalhaftes Event. Für viele Jahre kamen ihm Muse und Leichtigkeit abhanden. Doch die von ihm so gefürchtete „fat-elvis-Phase“ ist nicht mehr wieder aufgekommen.