Rolling Stones – Beggars Banquet

Es war der Moment, in dem die Rolling Stones ihre Identität endgültig gefunden hatten – in allen düsteren Schattierungen und mit einer musikalischen Autorität, die bis heute beeindruckt. Eigentlich hatte man die Stones 1968 abgeschrieben. Die Band schien auseinander zu fallen, die Musiker standen wegen Drogenvergehen häufiger vor dem Richter als im Studio, Bandgründer Brian Jones hatte sich aus der Kreativabteilung abgemeldet, und ihr letztes Album, „“Their Satanic Majesties Request“ vom Dezember ’67, war eine glatte Enttäuschung gewesen. Nun aber zogen sie sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf. Eine entscheidende Rolle spielte dabei Jimmy Miller, den Mick Jagger als neuen Produzenten verpflichtet hatte. Der Amerikaner half der Band, einen zukunftsfähigen, kraftvollen Rocksound zu entwickeln, der bei aller Modernität tief in archaischem Folk und Blues geerdet war. Den Anfang dieses Opus magnum machte die turbulente Rock’n’Roll-Samba von „“Sympathy For The Devil“, deren Entstehung in Godards Film „“One plus One“ wunderbar eingefangen ist. Jagger als weltläufiger Luzifer und diabolischer Kommentator des 68er-Umbruchs. Dazu ätzte Keith Richards wahre Höllenfeuer zwischen die Zeilen – selten in der langen Karriere der Band passten Sujet und Umsetzung eines Songs besser zusammen. Nicht umsonst galt Jagger fortan als tatsächlich mit dem Teufel im Bunde. Nicht weniger eindrucksvoll der Opener der zweiten Plattenseite: „“Street Fighting Man“ stampfte los wie eine Herde Büffel und wurde augenblicklich zur Hymne all der echten und weniger echten Straßenkämpfer, die sich mit den Aufrührern in Berlin, Paris, London und Chicago solidarisierten. Neben diesen wohl zugkräftigsten Stücken bot „“Beggars Banquet“ weitere Geniestreiche – nicht ein Ausfall war unter den zehn Songs zu verzeichnen: das melancholische „“No Expectations“ mit Brian Jones‘ perlenden Slide-Verzierungen, der rumpelnde Countryblues von „“Dear Doctor“, die düstere Blues-Gockelei „“Parachute Woman“, das episch dahinrollende „„Jigsaw Puzzle“, das rustikale Robert-Wilkins-Cover „“Prodigal Son“, der brillante Folkblues „“Factory Girl“, die grandiose Working-Class-Hymne „„Salt Of The Earth“ und nicht zuletzt das fiebrig pulsierende Erotikon „“Stray Cat Blues“, worin Jagger all das inszeniert, was Eltern ihm schon immer zugetraut hatten. Kurz: „“Beggars Banquet“ war und ist Meisterund Referenzwerk, Identitätsausweis und Vermächtnis der klassischen Rolling Stones.

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