RONIN von John Frankenheimer :: ab 3. Dezember

von John Frankenheimer ab 3. Dezember Paris, kurz nach Einbruch der Dunkelheit. Ein Mann steht oben an einer Treppe und beobachtet eine Frau, die aus einem Wagen steigt und ein Lokal betritt. Langsam geht er hinunter, blickt durch das Fenster. Dann versteckt er seine Pistole im Hinterhof, kehrt ein, bestellt ein Glas Wein, fragt nach der Toilette und öffnet auf dem Weg dorthin die Hintertür. Als die Gäste aufbrechen, bleiben nur zwei Männer schweigend zurück. Die Frau steht nun hinterm Tresen. Nachdem er mit ihr einen Codesatz gewechselt hat, entspannt sich der Mann etwas. Danach fahrt sie mit ihm und den beiden anderen zu einer Lagerhalle. Zwischen Feldbetten und einer Marker-Tafel warten zwei weitere Männer. Man beäugt sich mißtrauisch, ißt Sandwiches, trinkt Kaffee, raucht die filterlosen Gauloises. Morgen erst wird das Spiel beginnen.

Die Anfangsszene von „Ronin“ ist völlig unspektakulär, aber auch gerade deshalb die schönste Sequenz dieses Films und eine der besten in einem Actionfilm seit langem. Schon wie die Kamera erst die steile Steintreppe einfangt und dann Robert De Niro, als er wachsam und zielstrebig zugleich hinter einer Ecke auftaucht, trägt die verschwörerische Atmosphäre des gesamten Films in sich. Wann hat man solche Bilder zuletzt gesehen? In „Der Marathon-Mann“ von John Schlesinger. In Hitchcocks „Der zerrissene Vorhang“. Im „Mackintosh Mann“ John Hustons. Also in den Polit- und Spionagethrillern der 60er und 70er Jahre, in Filmen mit Butt Lancaster oder Lino Ventura. Und bei Jean-Pierre Melville.

Mit „Ronin“ kehrt Regisseur John Frankenheimer jetzt nach Frankreich zurück, wo er 1974 „French Connection 11“ gedreht hatte, die gelungene Fortsetzung von William Friedkins illusionslosem, tristem Porträt des fanatischen Drogenfahnders Doyle. Nun war Frankenheimer mehr Handwerker ab Genie, der die doppelbödigen, metaphysisch inszenierten Verschwörungsdieorien eines Alan J. Pakulas in reißerische Kolportagen umarbeitete. Terroristen, Agenten, Kalter Krieg in Frankenheimers Filmen war vieles etwas zu schlicht, das aber mit stimmiger Stilistik und präziser Dramaturgie. Psychologisch sehr versiert war der für einen Oscar nominierte „Gefangene von Alcatraz“ mit Burt Lancaster.

Für derartigen Feinschliffist in „Ronin“ wenig Platz. Die Charaktere der fünf Männer bleiben so ungefähr wie ihre Herkunft ungewiß ist, was jedoch der geradlinigen, geheimnisumwobenen Geschichte dient Der Titel ist ein Terminus aus der japanischen Feudalzeit. Ronins hießen Samurais, die bei ihren Herrschern in Ungnade gefallen waren und sich fortan als Söldner verdingten. Sam (De Niro) ist ein Ex-CIA-Stratege, der ebenso weitsichtig denkt wie jeden billigen Kniff kennt. Larry, auch Amerikanet; ist ein Fahrer-As, der Engländer Spence ein Spezialist für Waffen. Der Deutsche Gregor ist ein Computerexperte und Vincent 0ean Reno) als Franzose für die Organisation zuständig. Und die Irin Deirdre (Natascha McElhone) hält als einzige den Kontakt zu einem anonymen Auftraggeber (Joanathan Pryce). Zielobjekt: Ein Aluminiumkoffer, gekettet an einen Hehler für brisante Ware, der in Nizza residiert und von einem Dutzend Bodyguards bewacht wird.

Ein „Rififi“-Plot, bei dem nach gelungener Aktion natürlich alles schief geht und die IRA und russische Mafia mitmischen, die letzten üblichen Verdächtigen der Neunziger. Frankenheimer hat mit dieser gewöhnlichen Manövriermasse trotzdem alles richtig angestellt Action wurde meist auf Pistolen und Autos beschränkt, und schon die ferfblgungsjagd in den Gassen von Nizza kann mit der aus „Bullitt“ konkurrieren, die Variante auf der Gegenfahrbahn – obwohl oft gesehen – wird hier minutenlang zelebriert. De Niro gefällt mit lakonischem Minimalismus, Reno spielt seine erste gute Rolle in einem US-Film. Und daß der Zuschauer nie erfahrt, was jener Koffer enthält, ist ein trefflicher McGujfin. Gegenüber vielen effektheischenden Actionvehikeln und verquasten Technik-Thrillern ist diese schnörkellose Räuberpistole ein Klassiker.

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