Ryan Adams :: Rock’n’Roll

Triumph des Herzens: Adams spielt Rock'n'Roll, als hätte er ihm erfunden

Sein Ernst kann das nicht sein. „Rock’n ‚Roll“ beginnt mit den Worten: „Let me sing a song for you that’s never been sung before.“ Adams‘ Stimme kippt dabei fast ins Hysterische. Er hat einen sofort. Das Lied heißt „This Is It“. Ach, das erinnert Sie an „Is This It“ von den Strokes? Und woran denken Sie bei „1974“, bei „So Alive“, „Wish You Were Here“ oder „The Drugs Not Working“? Genau. Man denkt bei jedem Track an einen anderen aus der Vergangenheit – und schon deshalb liebt man automatisch alle. Selige Nostalgie. Aber – und deshalb muss man Ryan Adams auch lieben – niemals klingt er, als hätte er das gewollt. Er klingt nicht fad oder alt, er ist kein Nachmacher. In seinem seltsamen Eklektizismus ist er absolut originell.

„Shallow“ fangt an mit einem Riff, das so Rock’n’Roll ist, dass man meint, es von einem Dutzend anderer Songs zu kennen, darunter mindestens einer von AC/DC. Aber dann wird es großer Pop, von Mädchen und Unsicherheit und Hochgefühlen. Und plötzlich wird es auch noch Oasis: „You gotta do what you do, gotta say what you say…“ All das in gerade mal vier Minuten!

Noch weiter in Richtung perfektes Liebeslied wagt sich „Wish You Were Here“. „Cotton candy in a rotten mouth/ You know you’re so fucked up/ Y’know I couldn’t help but have it for you/ And everybody knows the way I talk and knows the way I feel about you/ It’s all a bunch of shit.“ Das klingt jetzt erst mal nicht romantisch, aber es ist die rau-zarte Art, wie er diese Zeilen singt, die wieder Herzen brechen wird. Und es wird ja noch stürmischer: Bei „So Alive“ glaubt man The Edge im Hintergrund zu hören, und Adams gibt tatsächlich den Bono, zieht die höchsten Register und kommt kaum noch auf den Boden zurück.

„I used to be sad, now I’m just bored“, singt er in „Burning Photographs“ – es ist der einzige Satz, dem man ihm kaum glauben will. Wer nie langweilig ist, kann sich doch nicht langweilen. Wussten schon die Pet Shop Boys. Auch wenn ein paar Stücke verzichtbar sind – der kurze Titeltrack, das zu offensichtliche Nirvana-Rip-Off „Note To Self: Don’t Die“, das eher einfallslose „Boys“- hat man am Ende alles, was Rockmusik ausmacht: Über jedem zwingenden Riff eine Stimme, die einen vor Euphorie oder vor Verzweiflung umhaut. In jedem Song eine Welt voller Tod, Drogen, Depression – und unausgesprochener Hoffnung. Wo die überhaupt herkommt, weiß man nicht so genau; es ist ja oft das Vage, das Adams so anziehend macht. Die unbestimmte, unter all der scheinbaren Lässigkeit hervorschimmernde Energie, mit der er entweder alles zusammenhaut oder sich selbst aus dem Dreck zieht. Eine Überraschung ist es immer, so oder so.

Der Mann brennt, er spart sich keine Kraft auf, es geht immer um alles. Dass er uns etwas geben will, was es so nie gab, war natürlich sein Ernst. Wenn einer Rock’n’Roll verstanden hat, dann Ryan Adams. Dass man so einen Triumph von Herz über Kopf noch einmal erleben darf.

You gotta roll with it.

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