Scritti Politti – White Bread, Black Beer

Gibt es das, den Cyber-Bohemien? Befreit von allen körperlichen Makeln, die das übermäßige Ausschlafen mit sich bringt, das Bücherlesen bei Funzellicht, die Panikattacken.und wenn er spricht, müsste das klingen wie Engel und Heilige in Hörspielen. Weise, freundlich. So, dass sich jeder einbildet, nur er könne sie hören. So klingt nämlich Green Gartside alias Scritti Politti auf seiner fünften Platte, die nach sieben Jahren ganz überraschend herabpurzelt: Alles auf „White Bread, Black Beer“

formiert sich um die Stimme herum, um diesen blondgewellten, oft eunuchigen Gesang, der keine Anstrengung kennt und jetzt noch schwere- und körperloser ist. Gedoppelt, im Barbershop-Quartett mit sich selbst, in ansatzlosen Chorschleifen wie im „Because“ der Beatles. Wörter sind ein hartes Brot, das wusste Green immer, jetzt macht er sie ganz weich. Wie Bier?

Die eigene Musik hat er früher „white bread“ genannt hat, weil Green ja schon als Punk in Leeds 1977 Reggae spielte, dann amerikanische Musiker in Funk unterrichtete, bis sogar Miles Davis ihn coverte. Lieder vom Clash zwischen der Symbolik der Sprache und der Unmittelbarkeit der Liebe, der erste Studierte mit Popper-Pulli und Black Music in den Top Ten, und trotzdem sind die meisten Scritti-Platten heute schwierig zu hören, weil man die alten Synthesizer als zeitgeistige Verwirrungen empfindet. Zeitlosigkeit ist im Pop auch nur ein Klischee, aber man kann es nicht anders sagen: „White Bread, Black Beer“

klingt nun in seiner verhallten Entrücktheit wie die Illusion eineruniversellen Soul-Musik, die noch keiner so gespielt hat (ansatzweise Prefab Sprout).

Das „black beer“ stammt aus den Pubs in London-Hackney, wo ihn die Thekenfreunde angeblich zurück auf die Bühne geprostet haben, mit 49. Green hat die Platte (ein Rewind zu den ganz frühen Tagen) allein im Heimstudio aufgenommen, hat Melodien gemacht, die mit Pop-Beinchen auf der Jazz-Tonleiter langsam in den Himmel tanzen, an den er nicht glaubt. Die E-Drums von früher besingt er nun („The tap-a-tap tap, that’s the beat of my life“), ein sommerfaules Intro mit akustischen Gitarren schwenkt in „Dr. Abernathy“ in einen Britpop-Strut hinüber, das Piano wummert tief im Raum, Ambient-Pop. „After Six“ (in dem er Wahrheit und Weisheit abschwört) ist ein kurzer Michael-Jackson-Hit. Aber kein klappernder, gemischter Sack – hier fließt alles ineinander, und wie gesagt: Es ist vor allem ein Gesangsalbum.

Seine schönsten Liebeslieder (Green hat geheiratet), wie immer voller litcraturfähiger Bonmots über Schnee und Sonne in London, das Problem mit der Revolution, den Affen in der Küche und Rabin Hood: „I’ve been wishing my life away/ For Robin Hood to be king one day/ We’ll share the treasures of the world/ But I will get the girl.“ Letzte Achtziger-Weisheit: Verliebte Kommunisten sind die einzig echten Popstars.

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