Short Cuts :: VON BORCHOLTE & HÜTTMANN

FORMIDABEL

Es tut sich noch etwas, da drüben in Antwerpen. Stef Kamil Carlens, Erfinder und Chef der Avantgarde-Rocker dEUS, hat sein Seitenprojekt Moondog Jr. (ehemals A Beatband) noch einmal entrümpelt und umbenannt Die Verwirrung ist komplett, die Musik dafür umso besser. Als ZITA SWOON hat das belgische Soundkollektiv endlich zu einer eigenen Identität gefunden. Lennon, Springsteen, Costello, Newman und Waits werden zitiert und liebevoll dekonstruiert – das Ergebnis ist ,J Paint Pictures Ott A JVeddingDress“ (WEA), ein vertracktes Pop-Album mit suchterzeugendem Charme.

J,ions“(Yo Mama) von PATRICE ist nur eine EP mit vier Songs und drei Instrumental-Versionen, sein Meisterstück jedoch ist schon drauf. Es heißt „Love“, und bei jenem oft überbetonten Wbrt ist es allein bravourös, wie sich hier Schlichtheit und Pathos ergreifend die Waage halten. Der Afro-Deutsche, wie die Bio der Plattenfirma den jungen Hamburger umschreibt, singt im Reggae-Stil und spielt auf der Akustik-Gitarre feine Jazz-Harmonien zu afrikanisch-lateinamerikanischen Rhythmen. Doch er beherrscht nicht nur die Roots. Sein Ragga-Rap-Stück „Wonder“, vom Absoluten Beginner Martin Wilkes und Kastrierten Philosophen Matthias Arfmann produziert, ist mit einem furiosen HipHop-Beat unterlegt Wer dabei an Wyclef Jean denkt, muß auch Terry Callier sagen.

Als sie noch bei Stereolab war, hatte Katherine Gifford nie die Möglichkeit, eigene Songs zu schreiben. Dem mußte Abhilfe geschaffen werden: Zusammen mit Debbie Googe (Ex-My Bloody Valentine) gründete sie das Projekt SNOWPONY und sampelte Sonic Youth, Nick Cave und The Sonics. Am Ende war so genug Material für ein hypnotisierendes Album vorhanden: „The Slow-Motion World Of Snowpony“ (Radioactive/Universal) verdreht geloopten Indie-Rock aus dem Elektro-Baukasten.

AKZEPTABEL

Süßer die Kassen nie klingeln: Alle, die keinen Kamin haben oder Liebenden, aber zu stark sentimentalen Kuschel-Träumen neigen, sollten „Christmas WUh Babyjace“ (Epic) verbringen. Mit schmusig-samtener Soul-Stimme säuselt BABYFACE von „Silent Night“ bis „White Christmas“ alle bekannten Besinnlichkeits-Gassenhauer, daß selbst der Tannenbaum-Schmuck mitschunkelt Ebenso zum Schmusen eignen sich die Songs von BONE THUGS-N-HAR-MONY mit butterweichen Beats, Soul-Nixen und luxuriösem Sound-Dekor. „The Collection -Volume One“ (Epic) enthält Hits wie „War“, „Crossroad“ und „Shoot ‚Em Up“ und beweist einmal mehr: Die vier Rap-Tenöre sind die Boyz II Men des HipHop.

Gitarren-Bands zwischen College-Rock und Grunge gibt es jede Menge, gute muß man allerdings mit der Lupe suchen. In Harrisburg, Pennsylvania wird man seh kurzem fundig: FUEL 238 können mit ihrem Debüt-Album ^Sunburn“ (550 Music/Epic) überzeugen, erinnern an Pearl Jam oder die späten Soundgarden. Mehr Ecken und Kanten täten jedoch gut „WhiteyFordSings TheBkes“ heißt das Solo-Album von EVERLAST, und das ist nur halb gelogen. Der hemdsärmelige, partytaugliche Sound seiner einsagen Rap-Gruppe House Of Pain ist in manchen Songs einem schwermütigen, existenzialistischen Ton gewichen. Der stämmige Ire rappt über scheppernde Gitarrenriffs und karge Rhythmen, klampft jedoch zu herbem Gesang auch wehmütige Blues- und Folk-Melodien. HipHop wird oft nur durch Drum-Machine, einigen Samples und feinem Scratchen mitgedacht White music – aber besser ab die zwei, drei obligatorischen Rap-Klopfer.

Die Rap-Band Fünf Sterne deluxe hatte einen Kurzauftritt in Fatih Akins Film „KURZ UND SCHMERZLOS“, einer bravourös zur Gangsterballade stilisierten Milieustudie über die zerissenen Sehnsüchte in dem multikulturellen Hamburger Viertel Altona. Hip-Hop hat hier den passenden Ghetto-Geruch, und auch wenn Doppelkopf, Ferris MC, DJ Coolman oder Einz, Zwo damit wenig gemeinsam haben, transportieren ihre reduzierten Songs auf dem Soundtrack (Yo Mama/RTD) tadellos die urbane Atmosphäre der Döner-Kapitale. Der Film ist leider schon aus den Kinos verschwunden.

Der „Godfather Of Pop“ BURT BACHARACH ist wieder in aller Munde. Auf dem Live-Album “ One Anuaing Mgfit Ä (N2K/Edel), aufgenommen im edlen New Yorker Hammerstein Ballroom, covern illustre Leute (La Barenaked Ladies, Sheryl Crow, Ben Folds Five) ehrwürdige Hits des Meisters. Perfekter Weihnachts-Sound.

Inspiriert von Kraftwerk und später von Projekt Pitchfbrks Vorsteher Peter Spilles produziert, klopft die Hamburger Gruppe TRAUMA seit Anfang der 90er Jahre die elektronischen Module ab. Auf J>haselII“{SPV) koppeln sie sphärische Computer-Sounds mit Instrumenten wie Gitarre, Sitat, Percussion und Tablas, singt eine ätherische Frauenstimme zu tanzbaren Melodien. Letztlich zeichnet ihr meist eingängiget; manchmal dunkler Electro-Pop aber die Klangstrukturen aus den 80er Jahren nach. Gekonnter Anachronismus. Recht hübsch, aber belanglos.

Schlicht, aber nachhaltig sind die Songs von KYLE DAVIS aus Virginia, der mit JlisingHewes“ sein erstes Major-Album vorlegt Sein textliches Spiel mit den Rückschlägen und Teilerfolgen des Lebens erinnert stilistisch oft an John Hiatt – musikalisch gibt es den üblichen Erwachsenen-Rock mit Charakter.

DJ Koze von Fischmob fand diesen Mann hinter der Heimorgel so klasse, daß er mit ihm gleich eine Band gründete. EROBIQUE spielt auf JZrosound“ (Deck 8) leichthändig Reminiszenzen aus Funk, Disco und House mit Stubencharme, was den meist instrumentalen Songs einen Easy-Listening-Charakter gibt. Die Stücke heißen „Tanzen“, „Schlafen“ und „Nochmal tanzen“ oder auch „Funky Piependeckel“ und „Dümmercamping“. Dieser Hutnae, wird Koze gespürt haben, verbindet Und daher hat Witzbold Gautsch noch einen Remix gemacht Fehlt nur noch ein Duett mit Barry KünzeL Schade um die schöne Erinnerung, Teil 1: MATT BlANCO, die uns die frühen Achtziger mit swingenden Hits wie „Get Out Of Your Lazy Bed“ oder „More Than I Can Bear“ versüßten, sind doch nicht verschollen. Seit ein paar Jahren erfreuen sich die Briten in Spanien größter Beliebtheit, haben ihren langweiligen Dance-Pop daher auch auf iberisch getrimmt Das dazugehörige Album „World Go Down“(Intercord) klingt entsprechend unausgegoren.

MISERABEL

Schade um die schöne Erinnerung, Teil 2: JAMES BROWN, in Unwürde gealterter Godfather, ist wieder da und grunzt über einen auf modern geprügelten Rare Groove-Verschnitt Die Luft ist raus. Wer James Brown einmal verehrte, sollte von J.’m Back“ (Eagle Records) unbedingt die Finger lassen. Rätselhaft, wer den Alten zu solchen Peinlichkeiten nötigt.

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