Short Cuts :: von Wolfgang Doebelein

Formidabel: Zu den Vorreitern des letzten großen Powerpop-Revivals vor 15Jahren gehörten THE PLIMSOULS, sattelfest b Sachen Beat-Instrumentation und immer ganz nah dran an den heißesten Melodien. Seit sich Peter Case, Kopf und Stimme der Band, als Folkie immer selbstgenügsamer zur Klampfe verlustierte, wagte man an eine Wiederkunft des Quartetts nicht einmal zu denken. Was Case bewog, den Bart jetzt abzunehmen und die Rickenbacker wieder einzustöpseln, ist nicht kolportiert, aber egal: „Kool Trash“ (Edel Contraire) hat alles, was der Pop zum Powern braucht, infektiöse Hooklines inclusive. Coole Reunion.

Eine schönere Entdeckung hatte das auslaufende Jahr nicht zu bieten: ERYKAH B ADU, die sanft-exzentrische und sinnlich singende Soul-Diva aus Dallas bezauberte bereits mit ihrer Debüt-LP „ßaduizm“, und unterstreicht nun auf JErykah Badu Live“ (Kedar/Universal) ihre Ausnahmestellung im HipHop-Gewerbe. Keine populistischen Einschwörungsriten, keine Effekthascherei, nur diese unter die Haut gehende Stimme zu angenehm reduziertem Backing. Ein Rimshot hier, ein Vibraphon da, jazzy bis funky, und fern des HipHopüblichen Overkills und stupider Yo-Fraternalisierung. Y’know what I’m sayin?

tLÜÜtliü3 Es sind die mit dem Strom schwimmenden Routiniers, die am meisten profitieren vom Unplugged-Prinzip. Das galt für Rod Stewart, das gilt nicht minder für BRYAN ADAMS. Frappierend, wie selbst eine pseudo-juvenile Banalität wie „18 Til I Die“ mittels fein arrangierter Celli-Riffs und ein bißchen Eleanor-Rigby-Zauber ihren Schrecken verliert Manches ist gewohnt schunkelig, anderes gemahnt an McGuiness Flint, und auf „A Linie Love“ schlägt Adams gar sub-dySHORT CUTS laneske Töne an. Und wenn Davy Spillane mittendrin seine Uilleann Pipes und Tin Whistles zum Tönen bringt, ist “ Unplugged“ (A 8C M) am Ziel, der Hörer eingelullt, der Widerstand endgültig gebrochen. Perfide.

Ebenfalls aus Kanada kommt JANE SIBERRY, doch ist deren Säuseln weniger leichtgewichtig und hat es schon zu Wim-Wenders-Weihen gebracht ,,CW(Sheeba/RTD) ist ein Teil einer live im New Yorker Bottom Line zur Auffuhrung gelangten Trilogie mit dem Untertitel „Music For The Christmas Season“. Ein Festakt mit oftmals süßlich-sakralem Schöngesang und nervtötendem Klaviergeklimper, aber auch mit rührenden Momenten und hübschen humoristischen Einlagen wie dem 54-Sekunden-Schmunzel-Stückchen „A Bitter Christmas“, das so manche ferdauungsjazz-Einlage wettmacht, so manche überflüssige Joni Mitchell-Tonleiter und sogar „Silent Night“.

Zwiespältiger noch ist das Vergnügen, KATHARINA FRANCK sprechen zu hören, mal eng und streng Skurrilitaten faselnd zu einer Pastiche aus patentierten Bristol-Sounds von Portishead im Titelstück von „Hunger“ (Sans Soleil), mal mit unverfremdeter, erotischer Stimme Alltags-Surrealismen kommentierend, zum gleichförmigen Hypno-Rhythmus eines fahrenden Zuges („Hurra!!!“), dazwischen Lyrik-Fragmente als „Eatable Poetry“. Ein Side-Project nur, aber allemal faszinierender, als es die Rainbirds je waren.

Zwischen sämigen Keyboards und satten Streichern lavieren die Tracks auf ^very Kind Oj Mood“ (WEA) von RANDY CRAWFORD. Einige überleben qua melodischer Stärke, wie der alte Double-Hit „Captain Of Her Heart“, andere kapitulieren vor der schieren Belanglosigkeit der Arrangements. Da machen auch die diversen gesanglichen Finessen der Crawford keinen entscheidenden Unterschied mehr. Schade. Soft Soul kann so spannend sein.

Wie ein unausgeschlafener, besonders launischer Elvis Costello eröffnet PAT DINIZIO mit „Where I Am Going“ sein Solo-Album „Songs And Sounds“ (Velvel/Zyx), ein großer Schritt für einen Mann, der bisher der überaus höflichen Rock-Formation The Smithereens vorgestanden hat Doch im Laufe der zwölf Tracks pendeln sich Dinizio und seiVON WOLFGANG DOEBELING

I ne Mitmusiker, darunter der Stranglers-BassistJ. J. Burnel, auf einem mittleren Niveau ein, zwischen straightem Gitarrenpop der Marke US ’88 und den militanteren Tönen des „Shrink-To-Fit“-Labels UK ’78. Eine Don-Dixon-Produktion, glatt und glänzend. Wie Chrom.

Die BEAT ANGELS aus Arizona sind wie ein Amalgam aus sämtlichen Rock-Faktoren auf Trash-Ebene. Auf ihrer zweiten LP „RedBodge Cy£)isco«jage“(Epiphany/Polygram) vermengen sie Johnny-Thunders-Chic mit Glam-Pop, nicht immer so pointiert wie auf dem Marc-Bolan-Cover („Celebrate Summer“), aber stets respektvoll und punky zugleich. Der Ex-Guns N‘ Roses-Gitarrist Gilby Clarke hat produziert und, na klar, die Riffs herausgestellt, nicht selten zulasten der Melodien. Sänger Brian Smiths Böser-Bube-Bravado wird indes nicht beeinträchtigt Für Fans der New York Dolls.

Liebhaber der MC5 und ihrer musikalischen Monstrositäten dürfte warm ums Herz werden, wenn ihnen die wüsten, mit Blues-Geheul und Gospel-Gezeter versetzten Noise-Attacken der TALL DWARFS aus, richtig, Detroit die Gehörgänge verhageln. „Snufflt“ (Bell Bottom) heißt programmatisch ihr erstes Album, das sie signifikanterweise den Shaggs gewidmet haben. Lo-Fi, lärmend.

„Funknicity“ (Rounder) nennen die NEW ORLEANS NIGHT-CRAWTJERS ihren Longplayer, und auch das ist Programm. Ihr Swing ist nicht von der lässigen Art eines Professor Longhair oder Voodoo-verbündet wie der von Mac Rebennack. Das Oktett setzt, vor allem in den leisen Passagen sehr überzeugend, auf ein fein austariertes Instrumentalinterplay. Heraus kommt Funk-Jazz, Dixieland-unterfuttert und Bebopinförmiert Vi m Der burschikose Blues-Rock von JUICY LUCY war einst nicht ohne Reiz, beschränkt zwai; aber energetisch und schlierig. Der Comeback-Versuch „Blue Thunder“ (Outer Music/EFA) erzielt wohl hohe Werte auf der Beschränktheits-Skala, doch liegt das Energie-Level bei Nullkommanix, und die Schlieren wurden erfolgreich wegdigitalisiert.

Wer eine perverse Phantasie hat, versuche eine Mixtur zu imaginieren aus Genesis und Münchner Freiheit: „Oben YourEyes“(Eagle) von YES.

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