Small Faces – 40th Anniversary Edition

Für die Verhältnisse von 1966 war die Debüt-LP der Small Faces doch eine ziemliche Anomalie. Denn anders als vorher Beatles, Kinks oder Who bei ihren profilierten sie sich mit dem Erstlingswerk wirklich nicht als vielversprechende Songschreiber-Talente. Image war alles, was Decca da erst einmal anzubieten hatte. Steve Marriott fiel damals zwischendurch auch gelegentlich durch relativ doofes Geschwätz in Musikgazetten auf. Auf mögliche Einflüsse durch die Who angesprochen, erklärte er allen Ernstes, mit Pop Art habe man nichts am Hut, das überlasse man gern einem Intellektuellen wie Pete Townshend.

Durch die Liner Notes dieser Jubiläums-Edition zum 40. weht durchaus nicht ständig Weihrauch. Aus denen erfährt man, dass Beatles-Manager Brian Epstein im März 1966 mal in dem für die Band angemieteten Haus mit einer Orange vorbeischaute, die vorher in flüssigem LSD „gebadet“ worden war. Danach habe Steve Marriotts schlechter Trip ihn vermutlich zu solchen Bekenntnissen inspiriert wie den Versen von „E Too D“, in denen er gesteht: „Sometimes I look inside me/And I don’t like what I see.“ Für bekennende Soul-Fans (Sam Cooke war ein Idol dieser Teenager, Tamla-Motown-Größen schätzten sie ansonsten über alles) klang die Debüt-Single „What’Cha Gonna Do About It“ dann etwas ausgefallen. Kritisch merkte Rezensentin Penny Valentine in „Disc“ damals an: „I’m a bit worried about that Who-type guitar break in the middle. An unnecessary resort really.“ (Noch weit irritierter hatten sich vorher die Techniker bei Decca in den USA über die besagte erste Who-Single „Can’t Explain“ gezeigt: Sie schnitten vor der Überspielung das, was sie für unbeabsichtigten Gitarrenklirr hielten, ohne Rücksprache mit England einfach raus!) Ganz anderer Auffassung war da wiederum John Cale. Er flog mit der Single im Gepäck nach New York und spielte sie Lou Reed vor, um dem Kollegen anhand von so viel atonalem Fuzzgitarrenlärm zu beweisen, wieviel weiter man in England längst schon in Sachen Avantgarde-Rock sei. Ob er die Band auch noch für die Speerspitze der Avantgarde hielt, als die wenige Monate später mit „Sha-La-La-La-Lee“ ihren ersten Top-Ten-Hit in England hatte, darf man bezweifeln. Für amerikanische Pop-Fans blieben die Small Faces bis auf weiteres eine vernachlässigbare Größe. Anders als im Vereinigten Königreich schafften es weder „Hey Girl“, „AU Or Nothing“ noch „My Mind’s Eye“ jemals in die Hitparaden der USA. Das packten sie erst mit dem Wechsel zu Andrew Loog Oldhams Immediate Records und „Itchycoo Park“, ausgerechnet einem unverblümten Drogensong.

Mittelbar waren sie dann aber doch verantwortlich für den einzigen ganz großen Single-Hit, den Led Zeppelin je in Amerika hatten. In Ermangelung eigener Einfälle bedienten sie sich bei Willie Dixons 1962 für Muddy Waters maßgeschneidertem „You Need Love“, betitelten das – clever bis zur ganz neuen Kenntlichkeit verändert – um in „You Need Loving“, gaben das als eine Marriott/Lane-Originalkomposition aus, und fertig war die Blues-Einlage. Nicht ohne in die Jamsession eingeflochtenen Anspielungen auf Motown, Mashed Potato und Marriott brünstig „way deep inside, deep in your heart woman you need lovin'“ singend. Das hatte sich Robert Plant aber sehr genau gemerkt. Als Led Zeppelin 1969 hektisch an Songs für das zweite angeforderte Album arbeiteten, übernahm man weithin die Vorlage der Small Faces, strich ersatzlos die ganzen Mod-Anspielungen und erklärt das Ergebnis zur Originalkomposition „Whole Lotta Love“. Marriott/Lane hüteten sich wohlweislich, Page/Plant jemals deswegen zu verklagen. Als der „Inhaber“ von drei Dutzend frühen Small Faces-Aufnahmen blieb Decca bis heute eisern dabei, die beiden kleinen und toten Faces im Kleingedruckten als die wahren Komponisten zu nennen.

Auch in dieser Expanded Edition der Debüt-LP, die fast ein Dutzend Zugaben enthält, von denen man nicht eine einzige auf der „Decca Anthology 1965-67″vor zehn Jahren rausgerückt hatte. Die Alternativ-Aufnahme von „What’Cha Gonna Do About It“ hier beginnt übrigens sofort mit besagter Verzerrer-Orgie.

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