Steve Earle

„Townes“

Sie hat ihm selbst vermutlich mehr genützt als dem Gepriesenen. Sie wissen schon, diese schön unverschämte Einlassung, er, Steve, würde sich sogar bei dem Bob auf den Kaffeetisch stellen- in Cowboy-Stiefeln – und sagen, dass Townes der beste Songschreiber der ganzen Welt sei. Weil Bob bisher trotzdem keine Veranlassung sah, Townes großartig die Ehre zu erweisen, muss Steve das jetzt halt mal selber machen. Und weil er sogar einen Sohn nach seinem Idol benannt hat, darf auch Justin Townes Earle nicht fehlen, auf „Townes“, dem mit 15 Songs bestückten Tribute für Townes Van Zandt.

Im Wechsel jagen sie durch „Mr. Mudd and Mr. Gold“, die atemlos-textsatte Moralgeschichte, mit der alles begann zwischen Van Zandt und Earle, dem Älteren, anno 1972 im The Old Quarter in Houston. In Nashville rekrutierte Steve Earle jetzt eine u.a. mit Tim O’Brien und Darrell Scott fein besetzte Bluegrass-Band, die ihn behände durch „White Freightliner Blues“, „Delta Momma Blues“ und „Don’t Take It Too Bad“ trägt. In Los Angeles nahmen John King (Dust Brothers) und Tom Morello (Ex-Rage Against The Machine) „Lungs“ in den (Groove-)-Schwitzkasten. Was schon weniger passt.

Dies bleibt indes ein singulärer Akt der Dekonstruktion auf einem Album, das sonst nur zarte Empathie und unbedingte Hingabe atmet. Ein bisschen so, als würde man noch mal die alten Postkarten und Briefe von der ersten großen Liebe durchstöbern. Das macht man in der Regel andächtig allein, weshalb Earle seine New Yorker Solo-Performances auch erst nachträglich ein bisschen arrangierte. Was nicht durchweg so geglückt ist wie bei dem Streicherhauch in „Rake“ oder dem windschiefen Country-Schunkler „Loretta“, den Allison Moorer als zweite Stimme ziert. ebenso wie „To Live Is To Fly“.

Townes ist bekanntlich schon 1997 abgestürzt. Steve fliegt seitdem ohne ihn weiter, nimmt dabei aber den Mund nicht mehr ganz so voll. Townes ist für ihn jetzt „nur“ noch „one of the best songwriters that ever lived“. Da würde wohl selbst Bob nicken- und Steve höchstens bitten, mal endlich seine Stiefel vom Tisch zu nehmen. (New West/Blue Rose)

Jörg Feyer