Tales Of A GrassWidow :: Die Schwestern bezaubern wieder mit einem flirrenden Freak-Traum

Gut möglich, dass dies das letzte gute Album von Coco-Rosie gewesen ist. Kurz vor dem Erscheinen von „Tales Of A GrassWidow“ haben Bianca und Sierra Casady in Berlin ihr Debüt als Theatermusikantinnen gegeben: bei der Inszenierung des Stücks „Peter

Pan“ am Berliner Ensemble mit dem berüchtigten Zeitlupenregisseur und Kunstquarkgroßmeister Robert Wilson. Selbiger hat schon mit vielen interessanten Popmusikern gearbeitet; fast alle von ihnen hat er mit seinem Faible für wichtigtuerischen Romantikkitsch infiziert und dadurch in den künstlerischen Ruin getrieben. Tom Waits hat nach dem mit Wilson inszenierten „Black Rider“ 1990 nie wieder einen guten Song schreiben können, sondern führt seither eine traurige Restexistenz im Schattenreich des Klangkleinkunstgewerbes; in der wechselvollen Karriere Lou Reeds markierten dessen Wilson-Kollaborationen „Time Rocker“ und (oh Gott, dieser Titel schon) „POEtry“ historische Tiefpunkte.

Auch die CocoRosie-Musik zu „Peter Pan“ wirkt nun, wie das Stück selber, in ihrer eindimensionalen Kinderzimmersurrealität rundum geheimnislos und banal. Was insofern bemerkenswert ist, als das wesentliche Talent der Casady-Schwestern ja stets darin lag, selbst den abgegriffensten Akustikkitsch auratisch aufladen zu können und geheimnisvoll erscheinen zu lassen. Auf „Tales Of A Grass Widow“ – vor dem neuerlichen Wilson-Desaster komponiert und produziert -gelingt ihnen das noch in guter Weise: Es gibt schaurig geknödelten Operngesang zu hören und billig aneinandergeleimte Beats; manchmal wird auch äußerst schlecht dazu gerappt. Doch so stark ist der Zauber der sonderbaren Schwestern dabei, dass selbst die grauenerregendste Kleinkunst sich in einen flirrenden Freak-Traum verwandelt. Zugleich hört man den Songs auch immer an, wie schnell die Kraft schwinden kann und der Zauber verwehen.

Die magische Balance, die Coco-Rosie hier finden, ist so fragil, dass eine einzige falsche Entscheidung, eine falsche Begegnung sie für alle Zeit zerstören kann.(City Slang)

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