Tarnation – Mirador :: 4 AD/RTD

Gelassen bleiben, den Zigarillo locker im Mundwinkel und im langsamen Wiegeschritt die Straße überqueren, vor uns eine großartige Kulisse, Sonnenuntergang im Monument Valley, endlose Prärie und die flirrende Schönheit der Wüste. Mit der Musik von Tarnation drängen sich solche Bilder ganz automatisch ins Bewußtsein. „Mirador“ bietet auf jeden Fall genug Projektionsfläche für verhinderte Großstadt-Cowboys und Menschen mit extrem amerikanophilen Neigungen. Ob spannungsgeladene Passagen, die an Morricones Kompositionen der Italo-Western-Phase erinnern, oder emphatische Rührungen à la Chris Isaak – Tarnation beherrschen das Genre opulenter Western-Romantik perfekt bis zum Kitsch.

Wichtigster Bestandteil ist natürlich die weit ausholende Western-Gitarre – neben viel spanischer Folklore und halligen Klagegesängen. Trompeten-Choräle und dunkel geprägte Verzerrungen sorgen für entsprechenden Schall und Rauch. Trotz eindeutiger musikalischer Bezüge gibt es bei der Tarnation-Variante eine bemerkenswerte neuartige Koloratur.

Nun, Paula Frazer, Gründerin der Formation aus San Francisco, besitzt dazu das aufregendste Instrument, nämlich ihre Stimme. Warmblütig, kraftvoll, mit der Klarheit einer Joan Baez. Eher tiefer gelagert und dadurch noch melancholischer geraten. Tremologeladen ihre Phrasierungen, schaurig die Falsettnoten der oberen Lage. Als Schicksalsgöttin schwebt Paula Frazer durch die Songs und senkt ihr Schwert über Pathos und Melodram.

Ihre Band, versiert und spannungsfreudig, kann sich auch mit rockigeren Ansätzen kaum gegen diese Omnipräsenz von Hall durchsetzen. Der Opener „An Awful Shade Of Blue“ ist quasi die Fahne im Wind. Hier wird alles aufgeboten, was sich in den folgenden Songs detailliert wiederholt. Galoppierender Schönklang im Engelsgewand der perlenden Akkorde. Sehr geschickt sind die Akzente gesetzt, wird die Stimmung geradezu nostalgisch präpariert. Die Emotionen dürfen so richtig vor Einsamkeit triefen, auch an leidvollen Szenen wird nicht gespart, aber bitte alles schön goutierbar.

Da kann einem bei Dunkelheit und entsprechender Lautstärke, womöglich am spiegelnden Wasset schon mal die Gänsehaut aufziehen, aber richtig aufregen tut’s dann doch nicht.

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