THE ADDICTION von Abel Ferrara :: ab 27. März

Abel Ferrara ist ein Besessener. Er weiß, was er will, aber weiß auch, daß er das Schicksal nicht ändern kann. Zuletzt drehte er „Das Begräbnis“, mit kleinem Budget und großen Darstellern, der nur wenige Tage in den Kinos lief. „The Addiction“ ist bereits zwei Jahre alt. Der deutsche Verleih wollte ihn nie zeigen, bis das Berliner Eiszeit Kino sich engagierte. Er wird jetzt in Programmkinos der Großstädte laufen, im Universitäts-Viertel oder in düsteren Ecken, denn dort und davon handelt auch der Film. Er wird verstören und traurig machen, denn er blickt mit exzessiver Klarheit in die Schattenwelt unserer Seelen. Ferrara ist ein Exorzist, der das Böse kennt und an das Gute glaubt, aber nur schmerzlich Hoffnung macht, da die Kausalität zum Verderben zu zwingend ist.

Eine Dokumentation. Tote Frauen und Kinder, ein durchgedrehter US-Offizier, die Verurteilung, das beruhigte öffentliche Gewissen. „The Addiction“ beginnt mit Leichen, es gibt viele Leichen, vor allem lebende. Philosophie-Studentin Kathleen (Lilli Taylor) und eine Kommilitonin diskutieren die Schuld an Vietnam. Auf dem Heimweg zerrt der Vamp Casanova (Annabella Sciorra) sie eine Kellertreppe hinunter, starrt ihr verunsichertes Opfer an und zischt: „Sag, daß ich gehen soll, aber bitte mich nicht.“ Kathleen bittet – Casanova beißt ihr in den Hals. Aus zwei winzigen Wunden strömt Blut. Der Satz ist der Leitfaden des Films. Und dazu bollern die Beats des Cypress Hill-Songs „I Wanna Get High“.

Der Vampir ist die Metapher für Sucht – und Blut der Stoff unserer Träume und Traumata. Kathleen wird zum Junkie, vernachläßigt das Studium, verliert ihre Freunde, verwahrlost in ihrem Apartment „Abhängigkeit ist ein Trost“, behauptet sie – und deckt alle Spiegel ab, als würde sie darin ihre Seele erkennen und erschrecken. Der Katholik Ferrara deutet klassische Motive des Vampirfilms um in eine Allegorie der Sehnsucht und Verzweiflung, der Verdrängung, und Schuld. „The Addiction“ ist wie ein psychologisch-philosophischer Malstrom, der Religionen und Rituale, Thesen und Theorien, Dramen und Diagnosen zusammenwirbelt Alles ist richtig, nichts erklärt Selbst Philosophie ist nur „der Notzeiten süße Milch“. Jeder bezieht sich auf jemanden, doch man ist alleine, muß sich selbst begreifen, einen eigenen Weg finden. Was, denkt Kathleen, „kann uns vor dem Drang retten, den Fluch immer weiter zu verbreiten?“ Kathleen tötet, um zu leben, quer durch alle Schichten. Dann trifft sie den sinistren Vampir Peina (Christopher Walken), der sie verhöhnt, „du willst nur den nächsten Fix. Ich werde dich lehren, was Hunger ist“. Sie bäumt sich auf gegen ihre Gier und verliert, blutbesudelt, bis ein Grabstein ihr neues Leben symbolisiert „The Addiction“ ist ein Manifest des Willens.

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