The Beach Boys

Made In California

Beinahe wäre es für die Beach Boys ein würdiges 50. Band-Jubiläum geworden im vergangenen Jahr. Das neue Album „That’s Why God Made The Radio“ war zwar nur mäßig, doch die gemeinsame Tour der Überlebenden (Brian Wilson, Al Jardine, Mike Love, Bruce Johnston und David Marks) war ein Triumph über die Dramen der Vergangenheit und des Alterns. Wenn da nicht am Ende die erneute Trennung gewesen wäre -Love und Johnston hatten keine Lust mehr auf die große Runde und machten alleine weiter. Wilson tourt jetzt mit Jardine und Marks und hat ein Album mit Jeff Beck aufgenommen. Der Verfall und Untergang des Römischen Reiches ist nichts dagegen.

Da die Beach Boys die unbestrittenen Könige der Kompilationen sind, war im letzten Jahr neben dem Greatest-Hits-Doppelalbum „50 Big Ones“ auch noch eine 6-CD-Box geplant, die die 1992 schon recht heuchlerisch „Good Vibrations“ getaufte 5-CD-Anthologie zum 30. Bandjubiläum als umfassende Werkschau ablösen sollte. Die liegt nun ein Jahr später mit dem unsentimentalen und für den Großteil der Aufnahmen (und ihrer Schöpfer) zutreffenden Titel „Made In California“ vor. Viel hat sich in den letzten 20 Jahren ja eigentlich nicht getan bei den Beach Boys, und so umfasst die fünfte CD mit den zehn spärlichen Höhepunkten aus den Jahren 1980 bis 2012 (neben „Kokomo“ sind mit „Soul Searchin'“ und „You’re Still A Mystery“ auch zwei bisher in Bandversion unveröffentlichte Kompositionen von Brian Wilson und Andy Paley zu hören) zusätzlich einige historische Live-Aufnahmen (die Jubiläums-Tour 2012 wurde leider ausgespart).

Was die Box allerdings wesentlich von ihrem Vorgänger unterscheidet, sind die vielen hier enthaltenen und zwischen 1996 und 2013 angefertigten Stereo-Mixe und remasterten Tracks, die sieben für eine Retrospektive essenziellen Stücke der 2012 erschienenen „Smile Sessions“ und die sechste, „From The Vaults“ betitelte CD mit Outtakes, Demos, Instrumental-und Vocal-Tracks. Knapp ein Drittel der insgesamt 174 Stücke auf „Made In California“ gab es bis jetzt in dieser Form nicht zu hören.

In sieben Stunden reist man durch die bewegte Geschichte der Band, und auch wenn natürlich immer einige Lieblingsstücke fehlen (etwa „Girl Don’t Tell Me“,“Tears In The Morning“,“A Day In The Life Of A Tree“), gibt „Made In California“ doch einen guten Überblick, und man kann zudem auch als Fan noch einiges entdecken. Etwa den bacharachesken Backing-Track von „Guess I’m Dumb“ oder eine charmante Alternativversion von „Meant For You“. Die wahren Schätze stammen allerdings vom Beginn der Siebziger: Brian Wilsons bisher unbekanntes „Where Is She?“ aus den Sessions zu „Sunflower“ klingt wie eine herrliche Anverwandlung von Paul McCartneys „She’s Leaving Home“, und sein 1974er Demo von „California Feelin'“ ist wesentlich anrührender als das von Bootlegs bekannte „L. A. (Light Album)“-Outtake vier Jahre später. Dennis Wilsons „(Wouldn’t It Be Nice To) Live Again“ hätte im Austausch für „Student Demonstration Time“ aus „Surf ’s Up“ ein noch viel besseres Album gemacht, und sein „Only With You“ gerät 1972 in der Carnegie Hall beseelter und inniger als auf „Holland“.

Am Ende hört man die Stimme des 1998 verstorbenen Carl Wilson, während im Hintergrund das Orgelmotiv aus „Good Vibrations“ erklingt. Er berichtet von einem Gespräch mit Brian: „Ich sagte: ,Warum hatten wir so großen Erfolg?‘ Und er sagte: ,Ich glaube, die Musik feierte die Freude am Leben auf ganz einfache Art und Weise.'“ Eine simple Erklärung für ein monumentales Werk, das seinen Schöpfern alles abverlangte.

(Universal)