The Big Beat Scene :: von Royston Ellis

Mittendrin

von Royston Ellis

Ein Bericht aus dem Auge des Hurricane, geschrieben während der Sturm noch tobte, von einem, der nicht bloß Beobachter war, sich vielmehr selbst ans Wirbeln machte, in dionysischer Ergriffenheit, als der Rock’n’Roll Britannien heimsuchte. Royston Ellis war noch Teenager, als er im Herbst 1960 seine Erfahrungen niederschrieb, und keiner mehr, als sein Buch im folgenden Jahr erstmals publiziert wurde. Der Begriff „Teenager“ war noch neu, „gay“ nicht doppelbödig und „negro“ nicht anstößig. Ellis beließ es dabei, als „The Big Beat Scene“ ein halbes Jahrhundert später neu aufgelegt wurde, „to preserve the flavour of the dawn of the Swinging Sixties“. Dankenswerterweise, denn es ist nicht zuletzt die Authentizität dieser Sprache ohne Unrechtsbewusstsein, die bei der Lektüre das Gefühl vermittelt, nah am Geschehen zu sein, auch wenn sich der unfeine Unterschied zwischen „duckie“,“doll“ und „chick“ nicht sofort erschließt. Ein paar unkeusche Kapitel, die damals der Zensur zum Opfer fielen, weil sie etwa auf den Groupie-Verschleiß arrivierter Musiker abhoben, sind nun ebenso wieder lesbar wie durchaus ehrenrührige Passagen über öffentliche Personen. „Larry fucks our arses and we become stars“, so heißt es in einem unter Insidern kursierenden Lied, das den schwulen Manager und Promoter Larry Parnes aufs Korn nahm. „A song that won’t make the hit parade“, konzedierte Ellis trocken, „but every beat musician knows.“

Royston Ellis war Beatnik und Poet, verfasste Gedichte über das Nachtleben in London, über die nicht selten pittoresken Figuren, die das musikalische Treiben zwischen Jazz, Skiffle und Rock’n’Roll bereicherten. Er performierte seine „Rocketry“ genannte, Slam-Poetry antizipierende Kunst zu musikalischer Begleitung, bisweilen mit den Drifters, Cliff Richards Backing Band. Ellis lebte in einer Beatnik-Kommune in Notting Hill Gate, wo sich Literaten wie Colin Wilson und Rock’n’Roller wie Billy Fury ein Stelldichein gaben und einander doch eher fremd blieben. Ellis selbst war Hansdampf in allen Gassen von Soho, in seiner Person liefen die Strömungen der Subkultur zusammen. Er suchte und fand geistesverwandte Bohemians in Trad-Jazz-Schuppen und Coffee Bars, kannte Strippenzieher wie Jack Good, aber auch die Profiteure und Parasiten der Branche. Das Medienecho auf die Rock’n’Roll-Revolte war von Hass und Indignation geprägt, es wurde gehetzt und gehöhnt, doch Ellis streift diese Gegenwelt nur, hält sich nicht lange mit den Mächten der Reaktion auf. Im Sommer 1960 reist er nach Liverpool, trifft The Beetles, denen er empfiehlt, sich doch besser The Beatles zu nennen. Was folgt, ist bekannt: a bigger beat scene. (Music Mentor, ca. 20 Euro)

Wie bewertet man ein Buch, das seiner eigenen ambitionierten Aufgabenstellung nahezu vollständig gerecht wird? Man misst es an den Ansprüchen der Zielgruppe, hier: der anspruchsvollsten Plattensammler. „A Collector’s Guide To 7″ Record Company Sleeves“, so der Untertitel, bietet auf 600 Seiten nicht nur die Designs aller Label-Sleeves, sondern auch Hintergrundinformationen über die Labels, deren Betreiber und Veröffentlichungspolitik. Ein paar Sleeves habe er nicht auftreiben können, so Delaney zerknirscht; das erklärt den fehlenden halben Stern. (Premium, ca. 65 Euro)

Wer 1972 „The Ballad Of El Goodo“ hörte, musste überzeugt sein, der ersehnten Byrds-Reunion beizuwohnen. Doch es waren Big Star aus Memphis mit einem magischen Track ihrer ersten LP, „#1 Record“. Eine Band mit Zukunft, da waren sich die Auguren einig. Doch schon auf der zweiten, „Radio City“, war das Line-up abgebröckelt, „Third“ nurmehr Schwanengesang, wiewohl ein überaus faszinierender. Jovanovic findet die Gründe für das Scheitern im volatilen Gebaren von Alex Chilton, während Chris Bell merkwürdig undurchsichtig agiert. (Jawbone, ca. 22 Euro)

Eigentlich habe Mudhoney nur eine Single machen und sich dann auflösen wollen, so Sänger Mark Arm. Alles darüber hinaus sei utopisch gewesen, so weit weg von den Musikmetropolen. Wieso Seattle wider alle Wahrscheinlichkeit dann plötzlich zum Brennpunkt einer Szene wurde, die als Grunge global Furore machte, bleibt trotz Camerons weit ausholender Erklärungsversuche ein Rätsel. (Omnibus, ca. 22 Euro)

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