The Cardigans

Super Extra Gravity

Erschreckend dynamisch, unglaublich gut: Persson als Party-Crasherin

Ach ja, wenn Schoßtiere alt und unhandlich werden und trotzdem nicht sterben, wenn man lieber die süßen Fotos anschauen mag als die muffelnde, gefräßige Gegenwart. „Carnival“ von den Cardigans war in den Space-Age-Easy-Listening-Viertelstunden der Mittneunziger das einzige Lied zum Festhalten, aber sie gingen einfach nicht weg — heute kann mir keiner erzählen, daß er sich ernsthaft dafür interessiert, was aus dieser Band noch werden soll. Ein hinnehmbares, bedeutungsarmes Schweden-Cool-Ding, das noch nicht mal sonderlich Spaß macht, ungünstige Kombination.

Unglaublich, daß diese sechste Platte jetzt so gut ist. Daß sie – anders als das meiste von ihnen aus den letzten Jahren nach Musik klingt, die darauf bestanden hat, gemacht zu werden, die man trotz ihrer Radiotauglichkeit nie im Radio spielen könnte, weil man dann die Egalheit des anderen Pop zu sehr hören würde. Wie wundervoll die Sängerin Nina Persson ist, haben verwirrte Leute oft genug berichtet, doch hier ist sie die Party-Crasherin, die mit schönem Kleid und Wein-Uberdosis hereinplatzt: Man kann praktisch nicht weghören. Das tollste Stück heißt tatsächlich „I Need Some Fine Wine And You, You Need To Be Nicer“, in dem Persson eine Hundedressur veranstaltet und mit sich selbst einen ABBA-artigen Chor singt – das Haupt-Riff ist verbeult, fast wie auf einer alten Wire-Platte, die Band spielt mit erschreckender Dynamik, wie überhaupt auf dem ganzen Album. Alles mittelschnell, eigentlich höchstes Langweile-Risiko, aber sie schlagen waghalsige Reliefs hinein, mit allen möglichen Gitarren. Das liest sich nicht nach Cardigans, zugegeben, es ist eine Überraschung. Das klingt in „Drip Drop Teardrop“ sogar wie Oasis.

Die Grundatmosphäre ist natürlich weiterhin marmeladig, eine arrogante Melancholie, die in Nina Perssons Stimme liegt.: „Your autograph’s worthless, so don’t send rae letters“, und am Ende von „Godspell“ röchelt sie ein grandios herablassendes „Hallelujah!“. Gute Lieder werden selten auch noch so gut arrangiert, und nie zuvor haben die Cardigans ihre kleinen Rockismen so reizend eingesetzt, als kleine Kaminfeuerstöße selbst die Kitschigkeiten sind dramaturgisch schön dosiert, so daß man sich bei „Don’t Blame Your Daughter“, sobald in der Mitte wie vergiftete Erdbeeren die Geigen kommen, die Schlußszene einer Arbeiter-Tragödie dazuträumen kann.

Obwohl das Bourgeoisie-Musik ist, Folk-Songs für die gehobene Mittelklasse. Die Leute auf den billigen Plätzen sollen mit den Alcopops-Flaschen dazu rasseln.