The Cure

Wild Mood Swings

Metronome

Cure-Musik war immer Stimmungs-Musik. Vom schmissigen Existentialismus und pubertären Trotz-Pop der ersten Jahre ließ sich Robert Smith 1982 in die wabernde Depression von „Pornography“ fallen, noch immer ein Fanal der schlechten Laune, ein Mahnmal der Monotonie, des mürben Nicht-mehr-weiter-Wollens. Aber Smith wollte weiter, schrieb Spaßlieder wie „The Lovecats“ und nahm das Album „Kiss Me, Kiss Me, Kiss Me“ auf, einen Reigen der Launenhaftigkeit, in dem die Gestimmtheit ständig umschlägt. Der Erfolg kam in Kübeln. Narziß und Erdbeermund, der er ist, überlegte Smith es sich wieder anders und produzierte 1989 „Disintegration“, das Weltschmerz-Album einer Gymnasiasten-Generation, manieriert, gequollen, ausufernd, natürlich unerträglich romantisch und larmoyant. Ein Meisterwerk – bei Liebeskummer. Ein paar Jahre später trällerte Smith „Friday I’m In Love“.

So ist es stets mit den Cure: himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Während man die meisten peinlichen Massen-Helden der 80er-Jahre-Jugend bequem dem Vergessen anheimgeben konnte („Dire Straits? Stand ich nie so drauf.“), läßt sich der alte Paranoiker Smith nicht abschieben. Natürlich macht er allerlei Firlefanz: veröffentlicht zwei Konzert-Mitschnitte gleichzeitig, streitet mit ehemaligen Band-Mitgliedern vor Gericht, hält die Auslieferung seiner Musik an die Medien zurück, erzählt komische Geschichten, gibt sich pflichtschuldig verschroben.

Aber Smith ist nicht langweilig geworden, und er wird es auch nicht werden, denn es geht ihm immer mal wieder schlecht. Deshalb wird er nie die ostentative Selbstgefälligkeit des Kollegen Gordon „Sting“ Sumners erreichen: Ich habe sechs Kinder im Haus und viel Geld auf dem Konto, und das geht in Ordnung, denn ich bin gut. Für Robert Smith gilt eher: Der Tag, an dem ich nicht als Käfer aufwache, muß ein merkwürdiger Tag sein.

„Wild Mood Swings“ also. Ein Swinger-Album, eine erotische Katharsis, jedoch mild. Es handelt, in nuce, von Liebe, Tod, Sex und Wahnsinn. Aber bitte, alle Cure-Alben handeln von Liebe, Tod, Sex und Wahnsinn. Beiläufig ist „Wild Mood Swings“ auch ein getrennter, fröhlicherer Bruder des Haß-Albums von Bob Mould, dem anderen großen Grübler und Selbstzerquäler der Rockmusik: „Sick of it all“ singt Smith zwar auch, aber er haut nicht alles kaputt. Er ist ein zu routinierter Romantiker, um das Leiden nicht zu lieben.

Es gibt ein ganz zartes, kindliches Requiem für einen Freund auf diesem Album, „Numb“, lakonisch wie damals der „Love Song“: „He doesn’t want to care anymore/ Just keeps loving the drug/ He isn’t really here anymore…/ And that makes me cry.“ Und nein, das könnte Dolores O’Riordan nicht singen. Die Cranberries klagen aus Prinzip. Robert Smith klagt aus Erfahrung.

Es gibt auch wieder die Geigen, die flirrenden Gitarren, die Kirmes-Melodien, den quengeligen Gesang, die kreiselnden Lieder, bei denen es immer Melancholie und Euphorie zugleich ist. In „The 13th“ läßt Smith karibische Salsa-Bläser jubilieren und Drinks am Pool servieren. Der Popsong, hier „Strange Attraction“, ist verführerisch, luftig und unvergeßlich wie immer. Sogar die Gitarren kreischen bei „Club America“. Robert rockt! Aber dann läßt er doch wieder den Kopf hängen und nölt. Und das ist gar nicht deprimierend.

Schon ganz gut, daß Robert Smith morgens als Käfer aufwacht.