The Golden Palominos – Dead Inside

Es ist ziemlich schwer, diese Platte in ihrer ganzen epischen Ausführlichkeit aufmerksam durchzuhören. Kaum erklingen die ersten Töne, löst sie verschärftes Wühlen in Zettelbergen auf dem Schreibtisch aus, extremen Kaffeedurst oder verleitet zu stundenlangem Blättern in Synonymwörterbüchern. Und die Preisfrage ist natürlich: Ist es das, was Anton Fier wollte? Mit der ihm eigenen Unentschlossenheit hat er unterstützt von alten Kumpanen wie Bill Laswell, Nick Skopelitis und Knox Chandler ein neues diffuses Palominos-Scheibchen in die Welt geworfen, das man ebenso Dancefloor mit angezogener Handbremse nennen könnte wie durchgerüttelte Ambientmusik angereichert mit unwahrscheinlich lebensmüde klingenden Dub- und Noisezitaten, die nicht nach vorne schreiten, sondern hinten vom Tisch fallen.

Die Gebrauchsanweisung fehlt für diese vage Mischung des New Yorker Sound-Projekts, man legt sie auf und hört von Menschen, die nie geheiratet, nie ein Buch geschrieben, nie richtig Klavier spielen gelernt haben und jung gestorben sind – gratwandernde Klangcollagen, melodisch morbide mit Texten über Tod und Teufel von Nicole Blackman begleitet, die in ihrem zurückhaltenden Sprechgesang eine Vorstellung vom Frau-sein als grazile Töcher-Elite bedient, mehr Hauch ist als Expression und deshalb in erster Linie dekorativ. Slow, slow, quick, quick, slow – das Ergebnis ist so hilflos vieldeutig, daß man nach wenigen Takten abschaltet (siehe oben) oder irgendwann bei den Namen der Songs nach Referenzpunken sucht. Sie lauten unter anderem „Victim“, „Drown“ oder „Thirst“ und führen auch nicht weiter.

Und selbst die Längen der einzelnen Kompositionen geben keine Auskunft. Das ausdauerndste Stück zum Beispiel ist ohne erkennbaren Grund „The Ambitions Are“ mit acht Minuten fünfundzwanzig Sekunden. Aber vielleicht sollte sich niemand bei einer Platte, die völlig richtig „Dead Inside“ heißt, Gedanken machen, sondern lieber darauf beharren, daß Fiers Album in seinen dichtesten Momenten urbane Verlorenheit sowie seltsame Realitätsferne suggeriert und den Glauben, den Feind mit seinem Namen rückwärts auf eine Wand geschrieben zu bannen – allerdings sollte man darauf beharren, daß ein passender Titel für eine leblose Platte nicht gleichbedeutend mit gut ist.

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