The History Of The NME :: von Pat Long

Teil des Treibens

Pop war schnell, änderte ständig Aussehen und Attitüde. Fünf wöchentlich erscheinende Musikzeitschriften lebten im UK nicht schlecht vom Versuch, die Evolution auf Papier dingfest zu machen, für zeitweise mehr als eine Million Leser. Auf der Höhe des Geschehens waren sie dabei allenfalls periodisch, auch die Geschichte des „New Musical Express“ kennt lange Phasen der Ungleichzeitigkeit, des Hinterherhinkens. Pat Long, selbst eine Weile beim „NME“ beschäftigt, freilich im 21. Jahrhundert, post festum mithin, beschäftigt sich in seiner Jubiläumsschrift zum 60-jährigen Bestehen des Blattes lieber ausführlich mit dessen Blütezeit, den Jahren 1972 bis 1981. Verständlich, bot der „NME“ in dieser Ära doch mehr als bloß begleitende Lektüre, wurde zu einer treibenden Kraft popmusikalischen Wandels. Schreiber wie Nick Kent, Charles Shaar Murray oder Mick Farren waren keine Trabanten, die beobachtend um den Planeten Pop kreisten, sie waren Teil des Treibens, berichteten aus dem Inneren der Szenen. In einer Sprache, die vom literarisch einfallsreichen New Journalism eines Tom Wolfe oder Terry Southern inspiriert war sowie von Underground-Postillen wie „IT“ und „Oz“: intelligent, informiert, ich-bezogen, apodiktisch und arrogant.

So auflagenträchtig kitzelte der „NME“ damals den Nerv der Zeit, dass den Autoren noch Narrenfreiheit gewährt wurde, wenn Plattenfirmen erzürnt Anzeigen stornierten. Kents Charakterisierung von Queen als „a bucket of urine“ war eher untypisch unflätig, wurde aber nur von EMI beanstandet. Und von Queen, die sich wie viele andere etablierte Rockstars in den Seiten des „NME“ einem Dauerbeschuss sardonischer Kritik ausgesetzt sahen. „Don’t ever write anything bad about Elvis or you’ll get your legs broken“, hatte Redakteur Roy Carr den blutjungen Kent gewarnt, als der 1972 verpflichtet wurde, um dem betulichen Periodikum Hipness beizubringen. Swinging London war beinahe spurlos am „NME“ vorbeigegangen. „As the sounds being broadcast by Radio London or Radio Caroline evolved at quantum speed“, schreibt Long, „NME was out of touch and ill-equipped to deal with the pace at which the music it covered was developing.“ Ende der 50er-Jahre tat man sich gar als Sittenwächter hervor, beklagte den „obszönen Exhibitionismus“ eines TV-Auftritts von Cliff Richard und dessen „verheerenden Einfluss auf die britische Jugend“. So ist Longs Chronik einer Zeitschrift auch ein historischer Abriss des Britpop. Und endet, wie passend, in den Neunzigern, verlängert um einen etwas larmoyanten Epilog: „The days of the star journalist are gone.“ (Portico, ca. 20 Euro)

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