The Sonics – Here Are The Sonics :: Rarer Stoff mit apokryphem Sixties-Rock’n’Roll aus Tacoma

Im Vergleich zu Gerry Roslie klang Rob Tyner beim MC5-Debüt „Kick Out The Jams“ fast schon wie ein klassisch geschulter Tenor! Den Rhythm & Blues-Kracher „Do You Love Me“ der Contours sanger noch entfesselter auf dem Debüt-LP der Sonics als John Lennon „Money“ aus der Feder desselben Berry Gordy. Die Behauptung, er sei damals das weiße Gegenstück zu Little Richard gewesen, enthält mehr als ein Körnchen Wahrheit. Der fünfte Mann des Quintetts war Saxofonist Rob Lind, der für großes (frühes) Rock’n’Roll-Flair bürgte. Wenn man’s noch nicht geahnt hätte, konnte man es spätestens beim Solo des Roslie-Songs „Psycho“ studieren: Gitarrist Andy Parypa fand Dave Davies offenbar ganz toll.

Große Kinks-Fans waren die Sonics eh. Bewunderer auch der Rolling Stones, wie ihre Deutung von „Walkin‘ The Dog“ nahelegt. Mit Subtilkäten hielten sie sich nie auf, Vorlagen von Chuck Berry funktionierten sie zu Garage pur um, und die Deutung von „Good Golly Miss Molly“, die John Fogerty drei Jahre später für „Bayou Country aufnahm, zeichnet sich im Vergleich zu derjenigen der Sonics durch viel Feinsinn und Virtuosität aus. In Tacoma, Washington, und der weiteren Umgebung verehrte man sie als richtige Stars. Aber im Gegensatz zu den Kollegen, die dort ebenfalls bei dem Indie-Label Etiquette Records unter Vertrag waren, brachten sie es nie zu überregionaler Popularität. Die Wailers (nicht die aus Jamaica) hatten mit „Tall Cool One“ wenigstens einen kleinen Hit landesweit gehabt, die befreundeten Kingsmen aus Portland mit „Louie, Louie“ sogar einen großen.Ähnliche Qualitäten hatte der live im Studio musizierte Rock’n’Roll der Sonics nicht. Es sollte noch Jahre dauern, bis Paul McCartney mit „Lady Madonna“ ein kleines Revival desselben anschob und Bill Graham im Fillmore Chuck Berry als „the big big daddy of the moment“- mit der Steve Miller Blues Band (sie!) – als Begleitern ankündigte.

Etiquette Records-Präsident Kent Morril behauptete damals in den Liner Notes zur Debüt-LP ernsthaft und in fett gesetzten Buchstaben, die Sonics seien „original“ und „originators“. An neueren Tönen in der populären Musik waren die Sonics wenig interessiert. Im Nordwesten der USA verkauften sich ihre Platten so gut, dass ihr Firmenchef sie im selben Jahr für eine zweite LP („The Sonics Boom“, 3,0 ) ins Studio bat. Für „Don’t Be Afraid Of The Dark“ auch die Wailers, da für die harmony vocals zuständig.

Der beste der neuen Roslie-Songs war „Cinderella“, ein unglaublicher Garagen-Kracher, mit dem sie ihre Idole – die Kinks von „You Really Got Me“ – anscheinend ein bißchen alt und handzahm aussehen lassen wollten. Als obligatorisches Little-Richard-Cover nahmen sie Jenny Jenny“ auf, und gegenüber dem richtig mordlüsternen antifeministischen Statement von „He’s Waitin'“ dort nimmt sich so was wie „Under My Thumb“ schon wieder eher harmlos aus.

Rarer Stoff für Kenner. Einziger Wermutstropfen bei den in Lizenz wiederveröffentlichten Mono-Mixes der Platten: Frühere Vinylausgaben enthielten ein paar Zugaben.

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