Thea Gilmore – Liejacker :: Beherzter Folkpop. diesmal ohne große Arrangements

Neil hat sie immer noch im Gepäck. Die alte Platte von Mr. Young geisterte auf dem letzten Album „Harpo’s Ghost“ durch den beschwipsten hidden track „Play Until The Bottle’s Gone“, hier singt die 29-jährige Britin seine Songs „to the ones who like lambs to the slaughter are combing their hair and selling stories about drugs they took….“ Das ist vintage Thea Gilmore, aufrecht verzweifelt im aktuellen Teenage Wasteland, wo nicht mal die Sünde noch ein Original sein kann, aber doch immer einen halbzerbeulten Koffer voll Sehnsucht dabei, den sie über sechs Minuten zum „Dance In New York“ (so heißt der Song) tragen möchte.

Das Neil-Ding ist fast schon die einzige Gemeinsamkeit, die „Liejacker“ mit seinem Vorgänger teilt. Der konnte vor (Produktions-)Kraft ja manchmal kaum laufen, während sich Thea Gilmore nun auf vergleichsweise leisen Sohlen heranschleicht—und damit, auch zehn Jahre nach ihrem Debüt „Burning Dorothy“, nach wie vor ziemlich konkurrenzlos ist (zumindest in Großbritannien). Songs wie „Roll On“ muss die hippe Nachhut erst noch schreiben (und so singen). Dazu harmonieren die reduzierten, gewitzt gebauten Arrangements, die neben den üblichen Verdächtigen wie Cello, Ukulele, Akkordeon, Harmonium, Dulcimer, Mandoline etc. auch mal Küchenutensilien und einen Schornsteinaufsatz instrumentalisieren, und die klare Intimität der Produktion verträgt sich bestens mit dem Inhalt. Jenseits eines Metaphern-Feuerwerks ist Gilmore mehr als je zuvor am konzentrierten Destillat gelegen, am knappen Pinselstrich, am suggestiven Sog, den Songs wie „Black Letter“, „Icarus Wind“, „The Wrong Side“ und „Slow Journey“ entfalten. Im gespenstischen „And You Shall Know No Other God But Me“ tut’s sogar eine Dobro als einsame Begleitung. Als Rahmenprogramm im Wortsinn gleich zwei Duette: Zum Auftakt fahndet Thea Gilmore mit Dave McCabe (Zutons) nacheinervertrauten „Old Soul“, zu guter Letzt wird sie von einer ganz tief gelegten Joan Baez ein Stück auf „The Lower Road“ begleitet, „from the blood in a far country to the war of just growing old“. Der passende Ausklang für ein Album, das immer wieder unerschrocken in die Tiefe schaut, um abheben zu können. Es gibt diesen wunderbaren Moment im Country-Gospel „When I Get Back To Shore“, da singt Thea Gilmore vom Charme des hangman – und muss plötzlich kurz lachen. Da sieht man auch über den doch arg bemühten Albumtitel weg. Würde Neil bestimmt auch tun.

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