Tom Waits :: Glitter & Doom Live

Man kann sich Tom Waits natürlich nicht vorstellen ohne sein Schnaufen, sein Keuchen, sein Krächzen. Mit den Jahren hat er seine Manierismen eher noch gesteigert, seine Stimme zu einem Instrument, ja Artefakt gemacht. Die Instrumentierung, nur scheinbar aus der Rumpelkammer, war stets so augesucht wie die Musiker, die Waits‘ sorgsam arrangierte Apokalypsen zu inszenieren hatten. Der stilistische Bruch nach 1982, von Kathleen Brennan inspiriert, führte den Romantiker Waits tief indie Welt des Captain Beefheart, des alten Blues, des Jazz, der Halbwelt von Kurt Weill und spinnerten Wanderpredigern. Waits wurde so zur Marke, zum Schauspieler, zum Schausteller.

Weil in seinem akribisch organisierten Universum von Schrott und Altertümelei alles seinen Platz hat, scheute Waits stets das Konzert. Er hätte Triumphe feiern können, doch von der Bühne hielt er sich merkwürdig fern – obwohl er doch Theatermusiken schrieb: für den „Black Rider“, für „Woyzeck“, für „Alice In Wonderland“. Eine großartige Live-Platte immerhin gibt es, die zugleich ein Konzertfilm ist: „Big Time“ von 1988 wurde mit Waits‘ bester Besetzung aufgenommen – Marc Ribot, Greg Cohen, William Schimmel.

„Glitter & Doom“ enthält fast keines der lieb gewonnenen Stücke der 80er Jahre – „Singapore“ ist beinahe die einzige Reminiszenz an diese Zeit. Leider sind auch nicht alle Stücke – fünf stammen von „Real Gone“ zwingend. Vor allem aber übertreibt Waits zuweilen das Gurgeln und Röcheln, lässt Bluesharp und Bläser und Schlagwerk auftrumpfen. Manchmal erschlägt das Rhythmische die Lyrik, die Pose triumphiert über die Poesie. Anderseits sind „Fannin Street“ und „Dirt In The Ground“ von fiebriger Intensität und versöhnen mit den wüsteren Attacken.

Vielleicht standen bei der Europa-Tournee im letzten Jahr auch nur zu viele Musiker auf der Bühne, die alle zu ihrem Recht kommen wollten. „Glitter & Doom“ ist eher eine theatralische Platte, eine Angelegenheit von Sound und Musikantentum als ein Songschreiber-Konzert, das einem die alten Gewissheiten in Erinnerung ruft – und also auch eine kräftige Attacke gegen den Klassizismus.

Die geschlagene halbe Stunde „Tom Tales“ auf der zweiten CD mag goutieren, wer von Waits‘ Auftritten bei Jarmusch und dem Album „Nighthaieks At The Diner“ nicht genug bekommen kann.

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