Tori Amos – American Doll Posse

Es gibt ein lustiges Gesicht, das fast alle Männer ziehen, wenn man ihnen von Tori Amos‘ jüngster Idee erzählt: Es sieht aus, als hätten sie in eine Feige gebissen, die sich als Limone herausstellt. Für ihr neuntes Studioalbum schlüpft die Songschreiberin in die Haut von fünf verschiedenen Figuren, die zusammen eine komplette Frau ergeben. Das steile Konzept sieht vor. dass die 20 (!) neuen Lieder, von denen manche allerdings nur kleine Zwischenspiele sind, von den unterschiedlichen Personen gesungen werden. Tori Amos begleitet sie natürlich auf ihrem Bösendorfer-Piano.

Gestatten: Isabel (HisTORlcal) macht mit „Yo George“ den Anfang. Sie ist politisch und spitzzüngig. Deshalb darf sie Amerika fragen, wie es so auf den Hund kommen konnte, in höchsten Tönen gegen „Mr. Bad Man“ trällern, und am Ende, bei „Dark Side Of The Sun“, noch einmal für in den Tod geschickte Soldaten eintreten: „So how many young men have to lay down/ Their life and their love of their woman/ For some sick promise of a heaven?“ Die Antwort, meine Freundin, weiß ganz allein der Wind.

Die gutgläubige Clyde (CliTORIdes) hat’s auch nicht leicht, selbst wenn „Bouncing Off Clouds“ recht ätherisch daherkommt, von Streichern begleitet erzählt sie vom „Girl Disappearing“, zart und verletzlich. In „Roosterspur Bridge“ erinnert sie sich an bessere, unschuldigere Zeiten; bei „Beauty Of Speed“ wird sie von Arnos‘ duellierenden Pianos vorangetrieben – eine ihrer stärksten Persönlichkeiten.

Auftritt: Pip (ExpiraTORlal), das amazonenhafte Kraftpaket, das im wütenden „Teenage Hustling“ anklagt: „You been skankin‘ around/ With your talentless trash/ You only shoot blanks/ At your cocksure best.“ Fast nach Patti Smith klingt sie da, nur nicht so herb.

Das stampfende „Body And Soul“ heult sie wie eine Indianerin im Duett mit Santa (SanaTORIum). Die ist wiederum sinnlich und leidenschaftlich, hat sich typische Tori-Songs wie „Secret Spell“ zu eigen gemacht und fällt nur bei „Programmable Soda“ auf, einem Revue-Stück mit Bläsern, Streichern und entzückendem Unsinn.

Der widersprüchlichste Charakter ist natürlich Tori (TerraTORIes), sie vereint quasi Yin und Yang und hat die schönsten Liedern – wie die schwermütige Ballade „Digital Ghost“. das zwischen Erlösung und Resignation schwankende, halbtrunkene „Code Red“ und das schwungvolle „Big Wheel“, das wieder einmal mit Anzüglichkeiten spielt, wie nur Arnos das kann, ohne peinlich zu sein: „I’ve been on my knees/ But you’re so hard to please/ Did you take me. take me in/ So you are a Superstar/ Get off the cross we need the wood.“

Demnächst werden diese Frauen ihre eigenen Weblogs eröffnen, ihre Geschichten kundtun und Arnos‘ Konzerte persönlich eröffnen. Viel Arbeit für die Kostümschneiderin, jeden Abend eine Überraschung fürs Publikum. Kommt Pip? Clyde? Isabel? Santa? Uns hat die echte Tori Amos doch auch immer gereicht.

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