Ty – Upwards

Man könnte sich im Fall des Rappers Ty mit zwei uralten Basis-Informationen durchschummeln, die niemanden mehr überraschen sollten. Basis-Info eins: HipHop muss nicht von Ärschen und Autos handeln. Basis-Info zwei: Es gibt auch in Großbritannien gute Rapper. Allein schon, weil das Gegenteil in einem Einwandererland wie England statistisch sehr unwahrscheinlich wäre. Trotzdem: Erst seit drei, vier Jahren machen gute britische Rapper auch gute Platten. Roots Manuva, The Streets (den kleinen Weißkäse zählen wir mit), Dizzee Rascal. Jetzt Ty, ein in London geborener Nigerianer, Träger einer Brille, die offenbar wirklich zur Korrektur eines Sehfehlers dient. Ein besonders Friedfertiger, dem sicher nie so groß gebimmelt werden wird wie seinen Lausbuben-Brüdern, der aber mit seinem zweiten Album nur knapp an einem Funk-Meisterwerk vorbeischrammt. Mit 2Step und UK Garage (der letzten britischen R’n’B-Dancehall-Innovation, die viele Rapper ins Licht gebracht hat) hat das zur Abwechslung nichts zu tun, mehr noch mit den afrikanischen Farben, die Ty aus dem Musikregal der Eltern kennt. „The Willing“ ist ein Afro-Beat mit rasierten Bläsern und den Wirbeln von Fela-Kuti-Drummer Tony Allen, der kleine Frauenchor klingt auf vielen Stücken eher beschwipst als schmeichelnd, der minimale Funk mit quakenden Basslinien und psychedelischem Wah-Wah erinnert oft an die besten Zeiten von Prince – der hatte sein Zeug ja wiederum von George Clinton, dem selbsterklärten schwarzen Außeriridischen.

Ty fühlt sich auch etwas exotisch, aber mindestens genau so daheim. In „Oh U Want More?“ rappt er in seinem besänftigenden, sonoren Stil zu Rummelplatzmusik, er erzählt vom Einkauf im Tesco-Supermarkt, fliegt „strictly Heathrow“ und beobachtet im wundervollen „Music 2 Fly 2“, wie sich an einem englischen Herbstabend die Autos in der regennassen Straße spiegeln. Wenn er über Fastfood und dumme Game-Shows sinniert, wächst der Kulturpessimismus zwar in Wyclef-Jean-Dimensionen – bis Ty anmerkt, am Ende sei nicht mal er selbst integer, weil er ja auch Platten verkaufen wolle. Wenn sie so schillernd einfallsreich sind wie diese, kann man ihm den Gefallen tun.

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