Wolfgang Welt :: Fischsuppe

Wolfgang Welt schreibt weiter an seiner „L’Éducation unsentimentale“ in Einzelbänden. Dieser fünfte (Kurz-)Roman läuft noch einmal in hastigen Trippelschritten die Erinnerungsstrecke ab, als er Ende der 90er-Jahre nach diversen psychotischen Schüben und Zusammenbrüchen vom totalen Underground-Autor und Geheimtipp langsam im Literaturbetrieb ankommt. Sein Privatleben befindet sich im tristen, lithiumgedimmten Fluss. Wegen seiner Wampe bleiben wieder mal die Frauen aus. „Ob ich jemals noch mal ficken werde?“ Sein Vater stirbt. Seine Mutter erkrankt an Krebs. Kleine Fluchten bieten immer wieder seine London-Trips. „Heimat.“

Aber plötzlich läuft seine Karriere an. Peter Handke hatte ihn schon länger auf dem Zettel. Als ein befreundeter Antiquar seinen längst vergriffenen Roman „Peggy Sue“ wieder auflegt, wird auch der „Spiegel“ aufmerksam. Und Willi Winkler. Nach dessen Eloge in der „Süddeutschen“ lässt sich zwar immer noch nicht Suhrkamp herab (da erschienen dann erst in den Nullerjahren der Sammelband „Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe“ und der Roman „Doris hilft“), aber immerhin Heyne. Dort zahlt man Vorschüsse, die Welt wieder Lust machen auf Literatur. Er setzt unvorsichtigerweise das Medikament ab, um schreiben zu können, haut in drei Wochen den zweiten Roman, „Der Tick“, raus. Das hat Folgen. „Abends lief Michael Jackson durchs Münchener Olympiastadion und schoss auf mich. Aber in dem Moment, als der Schuss losging, beugte ich mich runter. Ich hatte gegen Jackson gewonnen.“

Anders als in den letzten beiden Büchern hält der mittlerweile 61-Jährige sich hier mit der Darstellung der Psychose nicht mehr auf. Das hat er schon an anderer Stelle gemacht. „Fischsuppe“ setzt stärker als bisher Welts Vorgängerbücher voraus. Es macht gelegentlich den Eindruck, als müsste er mit der ihm verbliebenen produktiven Energie haushalten. Das zeigt sich auch in seiner akuten Beschreibungsunlust. Sein stets reduzierter, lakonischer, schmuckloser Stil hat mittlerweile die Qualität eines Stenogramms erreicht. Lapidar notiert er, was an- und auffällt. Und obwohl ihn fast nichts mehr besonders aus der Reserve lockt – erstaunlicherweise, denn Welt besaß mal eine beachtliche polemische Energie, bekommt seine Inventur des Alltags Dringlichkeit. Wie er auf ein paar Seiten den hochdekorierten, traumatisierten WK-II-Kämpen, seinen Vater, und das eigene gestörte Verhältnis zu ihm skizziert oder das spätere Siechtum seiner Mutter, das ist noch in dieser enormen Verknappung merkwürdig berührend. (Peter Engstler, 14 Euro)

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