Xiu Xiu :: Nina

Wir müssen mal über Stimmen sprechen. Nicht nur über die der amerikanischen Folksängerin Josephine Foster, deren neue Platte „I’m A Dreamer“ in diesem Heft ebenfalls besprochen wird. Auch über die von Jamie Stewart – dieses Gehauchte und zugleich Gepresste, das Wispernde und Winselnde; wie ein von einem Asthmatiker gespieltes Saxofon. Und über die von Nina Simone, der „High Priestess of Soul“ – ihre Wärme, ihre Kraft, ihre Sehnsucht, ihren Wahnsinn. Man kann sich kaum zwei größere Gegensätze vorstellen. Und gerade deshalb ist es natürlich eine fantastische Idee, wenn Stewart mit seinem Projekt Xiu Xiu ein Nina-Simone-Tribute-Album aufnimmt. Es ist ihm gar nicht möglich, die große Chanteuse stimmlich zu imitieren oder zu ersetzen, er lässt uns ihre Abwesenheit bei jedem dieser Lieder aufs Schmerzlichste spüren. Ches Smith, seit Jahren assoziierter Xiu-Xiu-Schlagzeuger, hat die Musik für „Nina“ wie einen Dialog mit Stewarts Stimme arrangiert, die Saxofone von Tim Berne und Tony Malaby quietschen und knurren, Mary Halvorson an der Gitarre und Andrea Parkins an Akkordeon, Klavier und Moog behalten den Song im Auge. Brecht/Weills „Pirate Jenny“ ist hier ein paranoides Flüstern, „Wild Is The Wind“ ein Barmen, „See Line Woman“ pulsierende Hysterie. Dieses Album ist in diesem Jahr etwa das, was im vorigen Jahr Neneh Cherrys Kooperation mit Mats Gustafssons Ensemble The Thing, „The Cherry Thing“, war -eine unglaublich lustvolle Platte mit Coverversionen, in denen immer ein Lücke freigehalten wird, in die im Kopf des Hörers das „Original“ rutschen kann. (Graveface)

Auch auf „My Yoke Is Heavy“ treffen zwei Welten (manche sagen: drei) aufeinander: das autistische Songwriter-Genie Daniel Johnston und die beiden Folk-Musiker Adrian Crowley (Irland) und James Yorkston (Schottland). Es hat ja schon viele Johnston-Tribute-Alben gegeben, aber vielleicht braucht es Musiker aus der Folktradition, für die die Aneignung des Fremden zum Handwerk gehört, damit so was gelingt. Die beiden versuchen nicht, das Naive, manchmal Unfertige dieser Lieder zu überschminken, um zu zeigen, dass das ja eigentlich große Popsongs sind (das sind sie eben gerade, weil sie naiv und unfertig sind). „My Yoke Is Heavy“ erhält den Charme der Originale und zeigt zugleich, dass diese Songs auch ohne die quenglige Kinderstimme von Daniel Johnston, die immer eine Aura von Genie und Wahnsinn umgibt, prächtig funktionieren. Das Album hat nur einen Haken: Es ist auf 500 LPs und 500 CDs limitiert – viel Glück! (Domino)

Der Berliner Pianist Nils Frahm reproduziert auf seinem neuen Werk ebenfalls bereits bekannte Stücke. Allerdings sind es seine eigenen. „Spaces“ ist ein Live-Album mit bekanntem und bisher unveröffentlichtem Material. Frahm versucht sich an Dub, spielt auf dem Synthesizer Ambienthaftes, verformt und erweitert alte Kompositionen. Was das Ganze mit Stimme zu tun hat? Wer die Arbeiten des Pianisten kennt, weiß, dass sich vieles in seinem Werk um die Frage dreht, wie sich die Entstehungsbedingungen seiner Musik in die Ästhetik eines Tracks einschreiben (lassen). Und so ist diese Live-Sammlung auch eine Reflexion über die unterschiedlichen Säle und das versammelte Publikum, die die Musik als Raum, Klangkörper, Beobachter, Dazwischentuschler, Applaudierer, Bravo-Rufer und Andächtig-Schweiger maßgeblich beeinflussen. Besonders eindrücklich gelingt Frahm das in „Improvisation For Coughs And A Cell Phone“. (Erased Teps/Indigo)

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