Yeasayer :: Fragrant World

Unsterbliches und Jenseitiges von den Experimental-Elektro-Pop-Psychedelikern aus Brooklyn

Vor zwei Jahren, als „Odd Blood“ erschien, gaben Yeasayer Anlass zur Hoffnung. Hoffnung darauf, dass die Club-Regentschaft von Rihanna sich dem Ende entgegen neigt, dem Kirmestechno von Lady Gaga der Strom abgedreht wird, die Welt also noch zu retten ist. Das Album bot Pop für Fortgeschrittene in Reinform, war so süchtigmachend, experimentierfreudig und anspielungsreich wie kaum ein zweites aus jener Zeit. Es war das „Sign O‘ The Times“ des noch jungen Jahrtausends. „Enya with bounce“, nannte die Band aus New York damals scherzhaft ihren unwiderstehlichen Stilmix – oder auch „Middle-Eastern-Psych-Snap-Gospel“. Unter diesen spinnerten Selbstdefinitionen konnten scheinbar unvereinbare Anklänge von New Wave, Weltmusik, R&B, Funk, Ambient und allerhand psychedelischem Klumpatsch miteinander in Einklang gebracht werden. Und das Schönste daran war, dass die Gleichung mit mehreren Unbekannten am Ende sogar aufging: Die emphatischen Melodien von Songs wie „Madder Red“, „Ambling Alp“ oder „O.N.E.“ gingen einem nicht mehr aus dem Kopf.

Dass es schwierig werden würde, das zu toppen, dürfte Chris Keating, Anand Wilder und Ira Wolf-Tuton klar gewesen sein, als sie sich in Gary’s Electric Studio in Greenpoint, Brooklyn, zurückzogen, um einen würdigen Nachfolger ihres Geniestreichs aufzunehmen. Funky sollte die Platte laut Keating werden, allerdings in einer futuristischen, wenn nicht sogar dystopischen Lesart: „Blade Runner across 110th Street“. Dass sich der Gesang von Keating, der Inspiration in Alben von Teddy Pendergrass und Aaliyah suchte, auf „Fragrant World“ manchmal anhört wie der eines verkaterten, liebeskranken oder gar sterbenden Roboters, sollte also niemanden überraschen. Und auch dass die Synthesizer auf dem letzten Loch pfeifen, Gitarren allenfalls als Spurenelemente auftauchen und die Beats zuweilen klingen, als würde dem Drumcomputer die Festplatte abschmirgeln, passt ins Bild der weitgehend von Paranoia geprägten Zukunftsvision. Yeasayer machen es dem Hörer nicht mehr so leicht, einen Zugang zu ihrem rappeligen und sinistren Soundkonstrukt zu finden, wie auf dem Vorgänger. Einzig der auf das ewige Leben schielende Refrain der Single „Henrietta“ geht unverzüglich ins Ohr. Das Stück bezieht sich auf Henrietta Lacks, über die Keating ein Buch gelesen hat. Von der später an Krebs gestorbenen Afroamerikanerin, der 1951 ohne ihre Zustimmung Gewebeproben entnommen wurden, stammen die sogenannten HeLa-Zellen, die erste unsterbliche menschliche Zelllinie. Yeasayer bündeln die Geschichte in dem sehnsüchtigen Mantra: „Oh Henrietta, we can live on forever.“

Andere Tracks, etwa das pulsierende „Reagan’s Skeleton“ oder das so aufgekratzte wie schmachtende „Fingers Never Bleed“, treffen die tanzwillige Hüfte und das tränenfeuchte Auge eher von hinten durch die Brust. Der Umweg lohnt sich! „Fragrant World“ ist nicht so groß wie „Odd Blood“, wächst und wuchert aber immer weiter. (Mute)

Beste Songs: „Henrietta“, „Fingers Never Bleed“

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