Zentrifugal – Tat oder Wahrheit :: Alle Gedanken kreisen ums süße Leben: begabter Slam-Poet mit Sound-Zauberer

Dass Bastian Böttcher mit Sprache umgehen kann, merkt man sofort: „Ich taste mich per Tastatur durch die Textur. Tour durch wilde Gefilde des Web.www.rap.de! Zapp zu meiner Mailbox. Computer-Kommunikation und CD-Rom. Kommerz bekommt immer mehr Mega-Herztaktfrequenz.“ („ComputEc“) Da treffen sich Wortmelodie, Sprachspielwitz und Rap-Reimfluss, dass ganzen Germanistik-Proseminaren die Ohren klingeln müssten – MC-Workshops übrigens auch. Denn der Rapper mit der so sanften Max-Goldt-Stimme ist einer der wenigen Deutsch-Hip-Hopper, die nicht ständig stupide auf die Eins phrasieren und wissen, dass es außerhalb von Heynes großem 16 Mark 90-Reimlexikon auch so etwas wie Stab- und Binnenreime gibt.

Damit das befreundete literarische Ausland nicht denkt, deutsche Dichter seien unter 70 nicht zu brauchen, schickte das Goethe-Institut den Bremer 1995 mit 20 Jahren an der Seite des ewig jungen Vorzeige-Lyrikers Durs Grünbein zum „Deutsch-Nuyorican-Poets-Festival“ nach New ork. Seitdem ist Bastian Böttcher der Liebling aller 3Sat-Redakteure und gewinnt serienweise Poetry Slams.

Zusammen mit dem DJ Loris Negro produzierte er jetzt „Tat oder Wahrhext“, den Nachfolger ihres 1996er Debüts „Poesiealbum“. Viel Tat, wenig Wahrheit, muss man nach dem Hören dieser 18 kunstvoll inszenierten Tracks bilanzieren. Während der Zentrifugal-DJ alle Register in Sachen Beats, von Chill-Jazz-Elementen und Kraftwerk-Adaptionen über Raggamuffin bis zur Meditationsmusik plündert, glitzert die Wortakrobatik Böttchers ein wenig sinnfrei vor sich hin. Wo Freundeskreis immer eine Spur zu unentspannt ihr Ohr auf das Gleise der Geschichte legen oder Kinderzimmer Productions gelassene Resignation verbreiten, kann den Zentrifugal-Texten nichts und niemand auf ihre Parade regnen: „Alle Gedanken, alle Gedanken, alle Gedanken, kreisen meistens ums süße Leben…“ Das dreht sich dann um „Sommersonne“, „Coolawinta“, „Diesige Tage“, „S(n)ex“, die „Walkmanwelt“ oder eine „Kleine Einladung“ an die große Liebe. Das klingt wie Tangas tragen und Bacardi trinken im Germanistik-Institut Oder auch wie Christian Morgenstern. Den erträgt man auch nur in kleinen Dosen. 3,0

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