Rewind Today 2004: Pixies feiern ihr Live-Comeback – und vergeigen es

Die hörbar nervösen Pixies spielen in Minneapolis ihr erstes Konzert seit 12 Jahren. Trotz des nicht gelungenen Auftakts touren sie seitdem als gefeierte Live-Band.

Knapp 800 Fans haben sich am 13. April 2004 im beschaulichen „Fine Line Café“ von Minneapolis versammelt, um eines der größten Live-Comebacks der jüngeren Geschichte beizuwohnen. Die Pixies, 1992 im Streit getrennt, geben das erste Konzert einer US-Tour. Viele Leute hat die Bostoner Band beeinflusst, darunter auch solche, die nicht das Glück gehabt hatten, die Pixies vor ihrem Split live zu sehen. Nun kommen die vier Musiker auf die Bühne. Kahl sind die drei Männer seitdem geworden, runder alle vier. 

Als Opener des Abends, dem ersten gemeinsam gespielten Song seit 12 Jahren, wählen Pixies „Bone Machine“, das Eröffnungsstück ihres Longplayer-Debüts „Surfer Rosa“. Dramaturgisch gesehen eine gute Wahl. Das Lied bietet den Musikern einen exponierten Einsatz. Ideal, um die vier, wie in einer Revue, vor Publikum in Szene zu setzen: Schlagzeuger David Lovering gibt vier Takte vor, dann stößt Kim Deals Bass dazu, beide bleiben allein für zehn Sekunden. Und dann erst krachen Black Francis und Joey Santiago mit ihren Gitarren hinein.

Doch Deals Spiel ließ für den weiteren Verlauf des Abends Böses erahnen.

Wer den Live-Mitschnitt aus dem „Fine Line Café“ besitzt, hört darin das Abendland untergehen. Die Bassistin verpasst in „Bone Machine“ nicht nur ihren Einsatz, sondern verspielt sich auch sogleich, und kommt erst später wieder in ihren Rhythmus. So geht es weiter. Als Fan hat man gehofft, dass gerade zu Beginn des Konzerts die Konzentration noch etwas besser wäre. Kim Deal darf mit „Into The White“ gar das letzte Lied des Abends als Vokalistin anführen. Völlig außer Atem spricht sie am Ende mehr, als dass sie singt. Etliche „I Love You, Kim“-Rufe aus dem Publikum dürften die Sympathieträgerin gerettet haben.

Auch die anderen drei Musiker zeigen auf den Abend verteilt Schwächen. Sänger Black Francis hat das markante Pixies-Quieken in eine Art Grummel-Brüllen umgewandelt, was bei Stücken wie der Orgasmus-Simulation „Tame“ wie der Paarungsschrei eines Gorillas klingt; Leadgitarrist Joey Santiago trifft die zarten Töne in der Surf-Version von „Wave Of Mutilation“ nicht; Drummer David Lovering beweist in der Live-Premiere von „La La Love You“, dass nicht jeder gleichzeitig singen und Schlagzeug spielen kann.   

Woher die Nervösität wohl kam? Man muss sich die Pixies im Jahr 2004 als eine Band vorstellen, die ihren Marktwert wieder neu entdecken musste. In den 12 Jahren nach dem Split sind sie Indie-Legenden geworden. Aber messbar war ihr Erfolg deswegen noch lange nicht. Weil die Musiker nicht wussten, ob sie jemals wieder neues Material veröffentlichen würden, verkauften sie zunächst Mitschnitte aller Konzerte ihrer 2004/2005er-Tour auf ihrer Homepage. Die Minneapolis-Aufnahme war sofort vergriffen. Das immerhin war ein erster neuer Höhepunkt.

Der große Schub fürs Selbstbewusstsein kam dann zwei Wochen nach der Live-Premiere. Im Mai traten Pixies beim Coachella-Festival auf – als zweiter Headliner des Abends, vor Radiohead, immerhin.  60.000 Zuschauer jubelten dort Black Francis und Band zu. Die Pixies bestanden neben zeitgenössischen Größen, nicht nur neben Radiohead, sondern auch den ebenfalls auftretenden Kraftwerk. Es war, wie Black Francis später sagte, die Genugtuung für sie; als Band, die so viele andere beeinflusste, aber bis zur Reunion zu wenig Alben verkaufte. Als dann im Juni der erste neue Song der Pixies, „Bam Thwok“, auf Platz eins der neu gegründeten britischen „UK Download Charts“ einstieg, war das Comeback perfekt.

Noch sollten fast zehn Jahre vergehen, bis die Band mit ihrer „EP 1“ – ohne Kim Deal – einen ganzen Satz neuer Lieder veröffentlichen würde. Die Pixies tasteten sich 2004 noch zaghaft voran. So bestanden die Setlists der ersten Reunion-Jahre auch fast ausschließlich aus Material des von Fans heiß geliebten Frühwerks bis einschließlich „Doolittle“, spätere Songs wie „The Sad Punk“ bildeten Live- Ausnahmen.

Mit der bisweilen tollpatschig agierenden Kim Deal hat Black Francis bis zu ihrem Ausstieg 2013 jedoch seinen Frieden gemacht. Spätere Mitschnitte dokumentieren, wie die beiden auf der Bühne miteinander flachsen. Irgendwann wurde es gar zum Ritual, dass sich alle Bandmitglieder während des letzten Stücks einen Gute-Nacht-Gruß ins Mikro sprechen.

Setlist Minneapolis, 13. April 2004:

Bone Machine

Wave of Mutilation

U-Mass

Levitate Me

Broken Face

Monkey Gone to Heaven

The Holiday Song

Winterlong

(Neil Young cover)

Nimrod’s Son

La La Love You

Ed Is Dead

Here Comes Your Man

Vamos

Debaser

Dead

No. 13 Baby

Tame

Gigantic

Gouge Away

Caribou

Encore:

Isla de Encanta

Velouria

In Heaven (Lady in the Radiator Song)

Wave of Mutilation

(UK Surf)

Where Is My Mind?

Into the White

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