Rock und Revolution: DDR-Subkultur, die Rolling Stones und die Stasi

„Wie ein Stück Vieh wurden wir auf den Lkw geschmissen“ – Zeitzeugen erzählten bei einer Podiumsdiskussion in Berlin von ihren Erfahrungen 1969 – damals glaubte man, die Rolling Stones würden auf dem Dach des Springer-Hochhauses auftreten. Die Stasi fing Ostberliner Fans ab.

Die Rolling Stones sollten in Berlin spielen. Auf dem Dach des Axel-Springer-Hochhauses. Direkt an der Mauer. Und das ausgerechnet zum 20. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1969 – ein provokantes Vorhaben.

Heute ist natürlich längst bekannt, dass es sich bei dem geplanten Gig nur um ein Gerücht handelte – und die Stones zu diesem Zeitpunkt weit weg in Los Angeles weilten. Doch obwohl dieses Konzert nie statt fand, ist es in die Musik-Geschichte der DDR eingegangen. Denn statt eines Auftritts haben die anwesenden Fans, die in Scharen zur Mauer pilgerten, nur die Macht der Staats-Führung zu spüren bekommen.

Unter dem Motto „Rock und Revolution – DDR-Subkultur, die Rolling Stones und die Stasi“ gab es am Samstag (27. September), nahezu 45 Jahre später, in der ehemaligen Stasi-Zentrale in Berlin eine Podiumsdiskussion zum Thema. Ostdeutsche Zeitzeugen berichteten von ihren Erlebnissen rund um den 20. Jahrestag der DDR, allerdings ohne die Rolling Stones.

„Wie ein Stück Vieh wurden wir auf den Lkw geschmissen“, erzählt Günter Kalies. Er war zum Zeitpunkt des nie statt gefundenen Gigs 20 Jahre alt. Zusammen mit einigen Freunden ist er zur Grenze gelaufen: „Wir waren voller Euphorie – wir wollten die Rolling Stones unbedingt sehen“. Kalies hatte damals längere Haare, weshalb ihn die Polizei auch schnell als wartenden Fan identifizieren konnte.

„Als die Stones dann nicht auftraten, haben wir Probleme bekommen“, erklärt er weiter. Im Untersuchungsgefängnis zerschnitten die Polizisten sofort seinen Parka – dieser unterscheide ihn zu sehr von den Normen der DDR. Anschließend saß er noch vier Wochen in Haft.

Das Gerücht über ein Konzert der Rolling Stones auf dem Axel-Springer-Hochhaus hatte der Moderator Kai Blömer wenige Wochen zuvor in die Welt gesetzt: Im September 1969 sprach er darüber in seiner Radio-Sendung „Treffpunkt“. Noch in der gleichen Sendung erklärte er zwar, dass es nur ein Scherz gewesen sei – da war es allerdings schon zu spät, das Gerücht war gestreut.

Udo Gebhard war daher ebenfalls Zeuge der Geschehnisse vom 7. Oktober 1969. Allerdings saß er schon zwei Wochen vor dem erhofften Auftritt der Rockstars im Gefängnis.

Denn als er von den ersten Gerüchten im Radio hörte, verbreitete er die Nachricht sofort: „Rolling Stones Fans, fahrt nach Ber“, schrieb er nachts auf eine Straße in seiner Heimatstadt Dessau. Für die letzten Buchstaben hatte er schon keine Zeit mehr, da Passanten ihn sonst erwischt hätten.

Kurze Zeit später wurde er dann aber doch entdeckt und verhaftet. Ab dem 25. September saß er schließlich für mehrere Wochen im Gefängnis.

Die Stones-Fans in der DDR hatten zu der Zeit noch das Konzert der Band von April 1967 in Erinnerung. Damals spielten sie in Warschau – es war also nicht völlig ausgeschlossen, dass sie noch einen Auftritt in Osteuropa haben würden. Also pilgerten am 20. Jahrestag der DDR mehrere tausend Menschen zum Springer-Hochhaus.

Die Rolling Stones haben sich bis heute noch nicht öffentlich zu den Ereignissen damals in Ost-Berlin geäußert. Mittlerweile weiß man aber, dass es für die Band schon aus zeitlichen Gründen gar nicht möglich gewesen wäre, das Konzert in West-Berlin zu spielen. Jagger und Co befanden sich gerade mitten in den Vorbereitungen für ihre anstehende USA-Tour.

Am 7. Oktober 1969 wurden schließlich 2623 Jugendliche vorläufig verhaftet, weil sie vergeblich in der Nähe der innerdeutschen Grenze warteten, um die Rolling Stones live zu sehen. Die Stasi fürchtete einen Grenz-Durchbruch. Über 700 der Fans mussten am Ende noch länger im Gefängnis bleiben.

Udo Gebhardt hat es aber nie bereut: „Rolling Stones Fan bleibt man bis zum Lebensende!“

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