Schauspieler Aidan Gillen im Interview: „Von Proben halte ich nicht viel“

Aidan Gillen – vor allem bekannt als Littlefinger aus „Game of Thrones“ – hat mit "Familienbande" ein kleines Film-Juwel gedreht. ROLLING STONE hat mit dem Darsteller über schauspielerische Herausforderungen, seine Heimat Irland und knappe Budgets gesprochen.

Der großartige Schauspieler Aidan Gillen ist hierzulande wohl in erster Linie als Littlefinger aus „Game of Thrones“ bekannt. Nun hat er in seiner irischen Heimat mit dem Regiedebütanten Mark Noonen einen kleinen, sehenswerten Film gedreht. „Familienbande“, im Original „You’re Ugly Too“, erzählt die Geschichte von Will (Gillen), der vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen wird, um nach dem Tod seiner Schwester für deren 11-jährige Tochter Stacey zu sorgen.

„Familienbande“ feierte seine Weltpremiere diesen Februar auf der Berlinale. Wie war diese erste Vorführung für Sie?

Es waren wirklich viele Leute da! Das hat unser ganzes Team vollkommen überrascht, was für eine riesige Veranstaltung für unseren kleinen Film organisiert wurde. Christoph Waltz war im Publikum und saß mit seinem Kind einige Reihen hinter mir, das war schon aufregend. Es war ein wunderbarer Start für die Festivaltournee des Films.

Wie sind Sie Teil des Films geworden?

Das lief ganz unkompliziert. Der Regisseur Mark Noonan hat mir sein Drehbuch per Email zugeschickt, und es gefiel mir so gut, dass ich direkt zusagte. Ich mag Filme, die etwas einfacher sind, in denen nicht so viel gesprochen wird; ich mag es auch, wenn Filme im kleinen Team und mit bescheidenem Budget gedreht werden. Wir haben „Familienbande“ in nur knapp drei Wochen abgedreht.

Ihre Figur Will muss auf seine 11-jährige Nichte Stacey, gespielt von Lauren Kinsella, aufpassen. Die meisten Szenen spielen sich nur zwischen den beiden Figuren ab. Wie war die Zusammenarbeit mit Kinsella, die ja ihre erste Filmrolle spielte?

Wir haben uns erst am ersten Drehtag kennengelernt, vorher hatten wir noch nie gesprochen. Für den Film war das auch gut, schließlich hatten Will und Stacey zu Beginn auch noch keine Beziehung aufgebaut. Ich halte im Übrigen ohnehin nicht viel von Proben, denn es ist häufig so, dass bei den ersten Durchläufen eine gewisse Magie entsteht, die nach einigen Wiederholungen wieder verschwindet; es ist also wichtig, sie gleich einzufangen. Sich praktisch unvorbereitet auf eine Szene einzulassen, ist natürlich ein Risiko, aber es zahlt sich meistens aus, so auch mit Lauren. Der Film wirkt teilweise improvisiert, an den meisten Stellen ist er das aber nicht. Wir lernten uns erst vor der Kamera kennen und sprachen ganz ungekünstelt, ungeschminkt miteinander. Und es hat gut geklappt, im Film funktioniert’s.

Die Dreharbeiten fanden in den Irish Midlands statt, die kahle Landschaft ist entscheidend für die melancholische Atmosphäre. Könnten Sie ein wenig über das Setting sprechen?

Mark, der Regisseur, kommt aus den Midlands, er ist da aufgewachsen. Es war gar nicht so leicht, den Film da mitten in der Provinz zu drehen; üblicherweise finden die Dreharbeiten von irischen Low-Budget-Produktionen in Dublin statt, weil da eh alle wohnen und dann kein Geld für die Unterbringung des Teams ausgegeben werden muss. Die Midlands sind ein ungewöhnlich leerer Ort. Dort wächst nicht viel, es stehen nur vereinzelt Gebäude. Es ist eine interessante Kulisse für zwei Figuren, die lernen müssen, miteinander umzugehen.

Sie haben in großen Hollywood-Produktionen gespielt, in England und Irland gearbeitet, Sie sind in Fernsehproduktionen wie im Kino zu sehen. Verändert die Umgebung Ihre Darbietung? Nähern Sie sich den Rollen auf unterschiedliche Weise?

Ja, es macht einen Unterschied. In den großen Produktionen steckt so viel Geld, dass die Leute dahinter in erster Linie sehen wollen, dass es sich finanziell rentiert. Es geht also nicht darum, besonders innovativ zu sein; als Schauspieler machst du dann nur genau das, was von dir verlangt wird, du kannst dir keine Spielereien erlauben. Aber das ist in Ordnung, es macht durchaus Spaß, und so verdiene ich nunmal mein Geld. Dadurch habe ich ja auch die Freiheit, Projekte wie „Familienbande“ anzugehen.

Das klingt nach dem klassischen „One for them, one for me“-Credo vieler gefragter Schauspieler.

Ja, das ist es wohl auch. Wobei sie am Ende ja alle für mich sind! (lacht) Das eine bezahlt die Rechnungen und erlaubt mir, das andere zu machen. Nach einer großen Produktion an einem kleinen Indie-Ding zu arbeiten, und umgekehrt, das ist wunderbar.

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