Schräge Typen, tumbe Stories

Der ideenlose deutsche Film sucht sein Heil in Amerikanismen und Manierismen. Dafür werden nun Soap-Stars und Szene-Sujets rekrutiert

Der Erfolg von „Anatomie“ kam mal wieder zur rechten Zeit. Das US-Trio aus „Toy Story 2“, „American Pie“ und „American Beauty“ konnte zwar nicht geknackt werden, doch legte das Horror-Elaborat das beste Startergebnis eines deutschen Filmes seit „Comedian Harmonists“ von 1997 hin. Mittlerweile steht es bei rund 1,7 Millionen Zuschauer – und ist mit „Lola rennt“ für Franka Potente bereits der zweite Kassenhit als Hauptdarstellerin.

Weder Meistermimin noch Modelschönheit, erweist sich die proppere 25-jährige damit dennoch als rares Zugpferd im Schauspiel-Stall. Vor allem, da nach den Lauterbachs und Landgrebes nun vermehrt eine neue Generation für die hart umkämpfte Front vor der Leinwand rekrutiert wird: Serien-Stars und Musik-Moderatoren. Holger Speckhahn wird in „Anatomie“ ausgeweidet, „Bravo“-Girlie Jasmin Gerat und „Cobra ll“-Chauvie Mark Keller posieren für „I Love You, Baby“ als Gaunerpärchen, und Valerie Niehaus aus „“Verbotene Liebe“ kreischt in „Flashback- Mörderische Ferien“ mit den „GZSZ“-Schnepfen Alexandra Neldel und Simone Hansehnann im Chor. Sie dürfen noch mal ihre Anziehungskraft auf eine möglichst blutjunge, unkritische Zielgruppe ausspielen, bevor sie sich wie Heike Makatsch für begabt halten.

Denn die Kinogänger schrecken noch immer zu sehr vor den Filmen aus der Heimat zurück. Drei, vier Dutzend Produktionen, so viele wie nie zuvor, sind 1999 rausgehauen worden. Doch nach „Aimee & Jaguar“ und „Pünktchen und Anton“ am Jahresanfang erreichte das Klassenziel mit 23 Millionen Besuchern zuletzt lediglich noch Leander Hausmanns „Sonnenallee“. Ostalgie-Kapitalismus. Gerne werden auch die Umsätze von „Werner“ und „Käpt’n Blaubär“ als Albi ausgewiesen, um die Bilanz zu schönen. Zeichentrick aber bleibt nur Teil, kann nicht Gewicht und Gesicht einer Filmkultur sein, die ja zumindest ein Jota Wirklichkeit ausstrahlen sollte.

Jüngstes prominente Opfer: Joseph Vilsmaiers „Marlene“ wird nach dem verhaltenen Besucherschnitt in der ersten Woche wohl nicht einmal die Millionengrenze schaffen. Die 17 Millionen Mark, die sein Schmock gekostet hat, sind für Hollywood zwar nur ein Low-Budget, vor allem beim derzeitigen Dollar-Stand. Aber am Geld liegt es eben nicht, wie der Protz-Produzent Bernd Eichinger gerne weint. Seit dem Beziehungskomödien-Boom fließt Kapital immer stärker, selbst die Förderanstalten haben Millionen in Flops wie „Schlaraffenland“, „Waschen, schneiden, legen“ oder „‚Ne günstige Gelegenheit“ gepumpt Deutsches Kino ist meist eine platte Spielwiese für alternde TV-Regisseure, die Flimmerkasten-Formate aufblasen, oder junge Filmakademiker, die beflissen Meisterwerke studiert und darüber vergessen haben, wie man schlicht eine simple, eigene, gute Geschichte erzählen sollte.

Daher werden allzu plump amerikanische Erfolgsrezepte beliehen. Eichinger hat als Co-Autor für „Harte Jungs“

(ab 30.3.) von Marc Rothemund den einst von ihm produzierten – plappernden Penis aus Doris Dörries „Ich und er“ als Pubertäts-Plagiat hervorgeholt und koppelt sich an jene Teenie-Ergüsse, die mit „American Pie“ gerade den Höhepunkt erreicht haben. Und wie in „Anatomie“ verfiel auch „Flashback“ (ab 6.4.) der Gleichung, dass der Kuchen ja groß genug sein ! muss, wenn selbst flaue Fortsetzungen wie „Ich weiß noch immer was du letzten Sommer getan hast“ noch eine Million Kids erreichen. So sammeln die deutschen Kinoschnorrer jämmerlich die Krümel auf.

Noch immer nicht verdaut ist der Schock, den ihnen Tarantino, Rodriguez, Lynch und die Gebrüder Coen versetzt haben. Schießprügel, Sex und Skurrilitäten scheinen die Stichworte für jedes Exposl zu sein – und, fett unterstrichen: Coolness! „I Love „Vbu, Baby“ (ab 20.4.) von Nick Lyon sieht beeindruckend aus: Jede Einstellung ein eitles, stilisiertes Kunstwerk in Cinemascope ohne eigenen Stil, Knallchargen mit Knarren in einer geklauten Story als überdehnter Levis-Spot Auch Matthias Glasners „Fandango“ (ab 303.) hat alle diese Qualitäten eines seelenlosen Films. Der spielt nur in der Club-Szene, damit Moritz Bleibtreu als desillusionierter DJ und Nicolette Krebitz als Kokse und Gangsterliebchen von Corinna Harfouch als sadistische Lack- und Latex-Tunte wie im Video-Clip ohne Rhythmus durch losgelöste Manierismen und Narzissmen getrieben werden. Pure Nabelschau.

So ist ausgerechnet Oscar Röhlers Drama „Die Unberührbare“ (ab 20.4.) mit Hannelore Eisner die lebendigste Geschichte.

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