Sea Wolf Jeremy aus der Hallertauer Grunge-Achse

Es ist das Jahr der Grunge-Jubiläen: Nirvana und Pearl Jam feiern jeweils den zwanzigsten Geburtstag ihrer Platten „Nevermind“ und "Ten". Unser heutiger Artist To Watch Sea Wolf Jeremy lässt sich von genau diesem Genre inspirieren – kommt jedoch nicht aus Seattle, sondern aus dem tiefsten Oberbayern.

Der Anblick von David Kreisl, Frontmann der jungen bayrischen Band Sea Wolf Jeremy, wirft einen zurück in die frühen 90er Jahre: Langes, braunes Haar, Flanellhemden, löcherige Jeans. Auch wenn er auf der Bühne steht, seine weiße Fender Mustang in der Hand und wie in Trance singt, dann muss man wirklich fast an einen brünetten Kurt Cobain denken. Oder an Eddie Vedder – die Grunge-Bands um 1991 herum, jedenfalls.

Dabei ist Kreisl eher ein Anti-Cobain. Er raucht nicht, trinkt nicht und konsumiert keinerlei Drogen. Aber die Musik, die verbindet ihn mit seinem alten Helden. So auch mit die restlichen Mitgliedern von Sea Wolf Jeremy: Xaver Hipp an der Gitarre, Florian Wolf am Schlagzeug und Tizian Karsten am Bass. Letztere sind neu bei Sea Wolf Jeremy, da sich deren Vorgänger Max Schneider am Bass und Drummer Alexander Bökelund nun auf anderweitige Projekte konzentrieren.

Die Hauptinspirationsquellen der Band kommen eindeutig aus nordwestlichen Gefilden der USA. Und diese hört man auch in der ersten EP der Band, „Darker River“. „Upon“ erinnert mit seiner forcierten Direktheit ein bisschen an Pearl Jam, mit bratzenden Gitarren und eindringlichen Melodien. „Down The Years“ dagegen ist ein ruhiger Song, gar fast eine Ballade. Melancholische Gitarrenmelodien und Textzeilen wie “ A rain of leaves falling down on me and I don’t know what to feel or who to be“ lassen stark an die leicht düsteren Textpassagen ihres großen Vorbilds Alice in Chains denken.

Düster ist übrigens auch der Proberaum der Band: Schlagzeuger Wolf hat in seinem Zuhause ein kleines Studio eingerichtet, mit Tonkabine und aufwendiger Verkabelung. Do it yourself – die Garage ist bei Sea Wolf Jeremy ein schalldichter Keller. Dort traf man sich auch zum kurzen Interview mit anschließender Bandprobe mit David Kreisl, Flo Wolf und Xaver Hipp.

Ihr habt euch ja ein passendes Jahr für die Veröffentlichung eurer EP ausgesucht: Gerade die großen Grunge-Platten feiern in letzter Zeit Jubiläen. Was bedeutet diese Musik heute noch für euch?

David Kreisl: Für uns alle bedeutet es wirklich noch sehr viel. Musikalisch gesehen hat mich diese Ära auf jeden Fall am meisten geprägt. Nicht nur wegen der Grunge-Bewegung, sondern auch den anderen großartigen Bands, die damals entstanden sind. Tool, zum Beispiel, oder die ganzen Stoner-Bands wie Kyuss, die sind ja auch in den 90ern gegründet worden. Das war schon eine musikalisch sehr wertvolle Zeit, die immer noch einen riesigen Einfluss auf die heutige Musik hat.

Xaver Hipp: Grunge wurde einfach zu einem Meilenstein in der Rockgeschichte. Und damit sind wir alle ja auch mehr oder weniger aufgewachsen, und das hat uns natürlich sehr beeinflusst.

Flo Wolf: Obwohl es relativ zufällig ist, das unsere EP – genau wie die ganzen großen Scheiben – in einem 1er-Jahr herausgekommen ist.

David: Was aber nicht heißt, dass wir was dagegen hätten, im Endeffekt genauso gut und erfolgreich zu werden.

Upon by FlorianWolfDrums

Trotz der ganzen Grunge-Nostalgie in diesem Jahr lebt das Genre doch eher im Hintergrund weiter, die populärsten Bands dieser Tage stammen eher aus dem Indie-Bereich. Was denkt ihr, wie steht es um die Zukunft dieser Musikrichtung?

Xaver: Ich denke dass der Grunge, wenn auch in kleinen Abwandlungen, eindeutig wieder stark im Kommen ist!

Flo: Meiner Meinung nach sind die meisten Genres nie ganz weg vom Fenster oder nur im Hintergrund. Es kommt nur darauf an, wie man alles verwirklicht und verkauft.

David: Es ist ja auch noch keine so einflussreiche Musikrichtung komplett „ausgestorben“. Und wenn es nicht in seiner reinsten Form ist, lebt der Sound an sich ja immer noch weiter. Sei es im Alternative, Metal oder Stoner-Rock. Außerdem gibt’s ja jetzt nicht nur die Reunions der ganzen großen Grunge-Bands wie Alice in Chains oder Soundgarden, sondern auch wieder ein paar neue, wie die Japanese Voyeurs zum Beispiel, die sich ganz auf den alten Sound konzentrieren. Die fangen ihre Songs nicht mit einem herrlichem Gitarrenpfeifen und geilen Riffs an, nur um dann im Chorus doch wieder den achtstimmigen Pop-Chor im Hintergrund auspacken. Wenn alle Stricke reißen, müssen wir halt eine neue Bewegung starten. (lacht)

Was steckt hinter dem Namen „Sea Wolf Jeremy“?

David: Am Anfang war das eigentlich ein Missverständnis. Unser Ex-Drummer hat mir mal während der Probe was über eine Band namens Jeremy erzählt, und ich hab’s nicht sofort kapiert und gedacht er meinte den Song. Danach hab ich mir gedacht, dass das ein ziemlich cooler Bandname wäre, habe es nachgeschlagen. Logischerweise war der Name schon vergeben. Kurz darauf hab ich für ein Cover, einen Flyer oder irgendwas im Internet nach Bildern gesucht. Ich dachte damals an das Foto eines Fischskeletts oder etwas in der Art. Und dabei bin ich auf den Seewolf gestoßen, ein ziemlich hässliches Vieh. Aber „Sea Wolf“ war auch schon vergeben. Irgendwann hab ich dann so ein paar Begriffe und Wörter miteinander kombiniert, und dann ist eben unter anderem „Sea Wolf Jeremy“ rausgekommen. Und der hat sich dann relativ schnell als unsere optimale Lösung für das Problem Namensfindung herausgestellt. Außerdem ist Jeremy auch eine schöne Anspielung auf Pearl Jam.

Wie funktioniert das Songwriting bei euch?

David: Bis jetzt ging’s eigentlich so, dass ich die Songs zu Hause geschrieben hab und in der Probe dann halt nur noch die Feinheiten ausgetüftelt wurden. Dann sag ich zum Xaver: „Spiel ein Solo!“ Dann spielt der Xaver ein Solo drüber und fertig ist das gute Stück.

Xaver: Ja, wie Fließbandarbeit. Jeder fügt noch seinen kleinen Part dazu und gibt’s dann weiter.

Wovon lasst ihr euch sonst beeinflussen?

David: Von sehr vielen Sachen. Wir haben mit Grunge- und Alternative-Rock auch alle einen gemeinsamen Nenner. Darauf stehen wir und nach dem richten wir uns als Band . Aber sonst gehen die Geschmäcker schon weit auseinander.

Xaver: Ich bin was meinen Musikgeschmack angeht sehr vielseitig und halte mich auch viel in Electro- und Indie-Gefilden auf. Diese Vielseitigkeit versuch ich auch immer einzubringen, und des macht auch unter anderem unseren speziellen Sound aus.

Flo: Natürlich sind Bands wie Alice In Chains schon der größte Einfluss, aber ich persönlich bin auch ein großer Fan von Gitarren-Musik, wie zum Beispiel (Gitarrist Joe) Satriani.

Boneyard by FlorianWolfDrums

Was sind eure nächsten Schritte nach eurer EP „Darker River“?

David: Erst einmal in Ruhe wieder zu uns selbst finden und zu einer Band werden. Wir haben ja zwei Neuzugänge, am Bass und am Schlagzeug. Aber wenn da alles passt – und ich glaube, das wird bald soweit sein – werden wir die ganzen Dinge angehen, die man als Band immer so angeht. Label, Album, gute Gigs und/oder eine kleine Tour vielleicht. Man kann ja nie so genau wissen, was da so alles kommt.

Flo: Wir werden auf jeden Fall versuchen, auch die EP dem Publikum live so schmackhaft wie möglich zu machen.

David: Ja, das ist auch wichtig und steht ganz oben auf der To-Do-List, erstmal wieder Gigs zu bekommen und zu spielen, damit da wieder Routine reinkommt. Und dann sehen wir schon. Aber wie gesagt: Der Besetzungswechsel kam nicht zum idealsten Zeitpunkt, und diese Veränderungen werden wir jetzt erst einmal geduldig verarbeiten, um danach richtig loszulegen.

Wo seht ihr euch in zwei, drei Jahren?

David: Einerseits immer noch hier im Keller, hoffentlich in der gleichen Besetzung. Aber natürlich wäre es schön, in der Zeit als Band zu wachsen, größer zu werden und mehr Menschen erreichen zu können. Muss ja dann nicht unbedingt als Headliner auf Rock im Park sein.

Was ist eure persönliche Benchmark? Der Punkt, den ihr erreicht haben wollt, bevor ihr aufhört?

Xaver: Mal eine richtige Tour, auch im Ausland, wäre schon ein großer Traum. Wie auch irgendwann von der Musik leben zu können.

Flo: Ja, auch das Gefühl zu wissen, dass man mit seiner Musik das Publikum begeistern und aus finanzieller Sicht davon leben kann. Aber wer redet von denn jetzt schon von Aufhören?

David: Also ich werde auf jeden Fall den Schlussstrich ziehen, bevor ich in Versuchung komme, ein Dance-Album mit Timbaland zu machen. (Siehe Chris Cornells Kollaboration mit Timberland im Song „Part of Me“.)

Wenn ihr die Chance hättet, mit einem Künstler oder einer Band eurer Wahl auf Tour zu gehen, wer wäre das?

David: Schwierig, da gibt’s so viele.

Flo: Eindeutig Alice in Chains!

David: (lacht) Ja okay, da hast du wohl Recht.

Xaver: Und danach Backstage noch schön ein Bierchen mit Jerry Cantrell…

Gibt es eine unbekannte Band, auf die wir sonst noch ein Auge behalten sollten?

David: Hm, da gibt’s wieder so viele. Aber jetzt speziell aus Pfaffenhofen eigentlich…

Flo:Reflected Black. Meine andere Band.

David: Ja! Auch alle sehr gute Freunde von uns, mit denen wir schon sehr oft gespielt haben. Eigentlich so ziemlich jeden zweiten Gig. (lacht) Eine sehr gute Grunge-Band! Mit denen zusammen bilden wir die Hallertauer Grunge-Achse.

Down the years by FlorianWolfDrums

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