Shining Star – Zum Tod von Maurice White, Mitbegründer von Earth, Wind & Fire

Vielleicht waren sie wirklich "The real black middle of the road“ – doch nichts anderes wollten Earth, Wind & Fire sein. Zum Tod von Mitbegründer Maurice White, der die erfolgreichste schwarze Band aller Zeiten erfand.

Die Kleider waren dünn und tief geschnitten, die Haare onduliert, die Hosenschläge weit, ihr Stoff glitzerte, die (weißen) Männer trugen Schnauzbärte, die (schwarzen wie weißen) Frauen fragile Gucci-Sandaletten und Halstücher von Fred Halston. Man beleuchtete Tanzflächen von unten, streute Koks auf die Tische und Türsteher waren die Könige der Nacht. Dieses „Boogie Wonderland“ namens Disco währte eine halbe Dekade lang, Ende der 70er-Jahre erreichte es seinen Zenit.

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Earth, Wind & Fire: Maurice White ist tot

Der gleichnamige Song stammt von Earth, Wind & Fire und steht den besten, stilbildenden Chic-Tracks kaum nach. Mit „Boogie Wonderland“ führten Maurice White und seine Band ihren slicken Larger-Than-Life-Sound auf atemberaubend perfekte Weise ins Studio 54, natürlich mit genretypischem euphorisierenden Break – Zeit zum Arme in die Luft reißen und kreischen – und Philip Baileys himmelwärts jauchzendem Falsetto. Earth, Wind & Fire sahen aus wie tanzende Pharaonen, die Phenix (sic!) Horns glänzten und Maurice Whites Haare flohen zunehmend nach hinten; auch er im Zenit seiner Karriere.

Nun ist der Mann, der die erfolgreichste schwarze Band aller Zeiten erfand, tot. Maurice White wurde 74 Jahre alt; seit Ende der 80er-Jahre litt er an Parkinson, eine Krankheit, die ihn ab Mitte der 90er-Jahre so sehr einschränkte, dass er auf Konzerte verzichtete.

Eine der erfolgreichsten Bands aller Zeiten

Zwischen 90 und 100 Millionen verkaufte Platten (und damals waren es Platten, die harte Währung), ein halbes Dutzend Grammys, ein Stern in Hollywood, die Rock’n’Roll Hall Of Fame, Partyband beim Präsidenten der Vereinigen Staaten (dem ersten schwarzen natürlich). Man hätte es ahnen können, 1975, als ein cooles Gitarrenlick ein hypnotisches, ungemein elegantes funky Soul-Wunder names „Shining Star“ einleitete – die scharfen Bläsersätze, der smart schlingernde Rhythmus, der warm brummelnde Bass! Eine hochpreisig glitzernde Funkrockjazz-Fusion. Zweifellos hatte Maurice White Stevie Wonders „Superstition“ gehört. Er war sehr gut darin, bei Anderen nur die besten Ideen zu klauen. In „Shining Star“ jedenfalls war alles angelegt, was Earth, Wind & Fire zur größten Crossoverband der ausgehenden 70er-Jahre machen sollte.

Angefangen hatte die von Jazzschlagzeuger Maurice White 1969 in Chicago gegründete Band als leicht überambitionierte Fusiontruppe. White hatte sein Handwerk unter anderem im Trio des Pianisten Ramsey Lewis gelernt, war von Sly & The Family Stone fasziniert und offenbar der Ansicht, dass die Aneinanderreihung dreier Begriffe für eine funky Big Band nötig war – Blood Sweat & Tears hatten es ja vorgemacht. Maurice spielte die Kalimba, ein afrikanisches Daumenklavier, es wurde zum Markenzeichen seiner Band. Aber erst mit „Head In The Sky“, ihrem 1973 veröffentlichten vierten Album, formt sich der EW&F-Sound tatsächlich aus, wird er präzisier, fokussierter. Doch fehlt ihm noch immer die edgyness, die zwei Jahre später in „Shining Star“ endlich aufgehen sollte.

Ihr bester unter einem Dutzend sehr guter Songs – inhaltlich immer belanglos, musikalisch mitunter nahezu perfekt. „The real black middle of the road“, ätzte Robert Christgau, der Kritiker der „Village Voice“, was Maurice White als Kompliment empfunden haben dürfte. Nichts anderes wollten Earth, Wind & Fire sein.

Die zart schmelzende Stop-And-Go-Ballade „Can’t Hide Love“, die Feuerwerke „Fantasy“ und „September“ oder das jacksonifizierte „In The Stone“, das die vertrackte rhythmische Unbedingtheit von „Don’t Stop ‚Till You Get Enough“ durch ein Schaumbad aus Trompeten zieht. Trademark-Tracks einer hedonistischen Dekade, die kurz und heftig, verschwenderisch und brüderlich in dem Freiheitsraum namens Disco blühte.

Ein Pyramiden-Foto zum Abschied

Maurice White war Kopf und Mittelpunkt von Earth, Wind & Fire. Seine Musiker standen oft im Dutzend auf der Bühne. Maurice war anspruchsvoll: er stellte den crispen Jazz-Saxofonisten Ronnie Laws, die Motown-Sängerin Deniece Williams und das herausragende Soul-Quartett The Emotions in den Dienst seiner Band – deren Bläser wiederum in den Dienst des weißen Middle-Of-The-Road-Stars Phil Collins traten, übrigens ebenfalls ein ambitionierter Jazz-Schlagzeuger.

Maurice White hat natürlich darunter gelitten, nicht mehr mit Earth, Wind & Fire auftreten zu können. Die Band machte ja weiter, auch wenn sie seit den 80er-Jahren stetig an Bedeutung verlor, schließlich nur noch ihren Ruhm verwaltete. Ihr Mitbegründer lebte zurückgezogen, doch schrieb er weiterhin Songs und produzierte gelegentlich. Er starb im Schlaf, in seinem Haus in Los Angeles. Sein jüngerer Bruder Verdine, Bassist und ebenfalls Urmitglied bei Earth, Wind & Fire, postete ein Foto von Maurice. Es zeigt ihn in Ägypten, mit einem Schirm durch die Wüste laufend, im Hintergrund die Pyramiden.

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