„“Sind wir nicht alle ein bisschen Obama?“

Für eine Sonder-Ausgabe der Betroffenheits-Schwatzbude von "„Beckmann" hat Christian Ulmen eine überraschende Elefantenrunde mit Prominenten aus Politik und Kultur zusammengebracht. Etwaige verletzte Gefühle sind nicht beabsichtigt, aber vielleicht unvermeidlich.

Reinhold Beckmann: Wahlkampf 2009, das heißt vor allem: neue Kommunikationswege, (legt den Zeigefinger auf die Lippen) Ich erinnere mich, wie wir früher mit „Willy wählen“-Button…

Veronica Ferres: (ausdem Off) Jaaa, stimmt, Dana und Ursula auch immer mit Belly Button…

Beckmann: …ahm., und heute, wo das World Wide Web allgegenwärtig ist, Hubertus Heil twittert, Fricke und Solms als „YouTube“-Stars, die Kanzlerin mit eigenem Podcast – sind wir nicht alle ein bisschen Obama? (lächelt zufrieden in die Kamera) Aber hey, bei allem virtuellen Schnickschnack, hey, ist Wahl nicht auch echtes Gefühl, und echtes Gefühl nicht immer auch etwas Schicksal? (macht eine Kunstpause, legt den Kopf schief) Mann, habe ich den Kollegen in der Redaktion zugerufen, hey, Mann, warum laden wir uns nicht ein paar schillernde Köpfe ein, Menschen, die persönlich, ganz persönlich einen Blick werfen auf diese anstehende Mammutwahl? Nicht diese übliche Parteienrunde. Wir haben heute einen politischen Elefanten bei uns, meine Damen und Herren, ich möchte sagen, einen knallharten Analytiker (nickt verheißungsvoll), er ist ein Volksliebling, ja, manche sagen Tribun, aber sie verkennen seine weiche Seite, seine bewegende Lebensgeschichte, die Angst, den Zweifel, das Attentat, herzlich willkommen: Oskar Lafontaine.

(Lafontaine huscht ein Lächeln über die Lippen, er nickt einmal) Und ich begrüße einen (gibt jeder Silbe einen Stoß mit der rechten Handkante) Shooting-Star, den Sohn eines Freiherrn, er kennt Sylt wie seine Westentasche, wie seine Westerlandtasche sozusagen (lacht laut auf, wischt sich übers Auge) und revolutioniert die CSU mal eben aus dem Effeff: Theodor zu Guttenberg. (zu Guttenberg strahlt) Und SIE ist auch wieder dabei (wiegt den Kopf, als schmecke er Zartbitterschokolade beim Sprechen), hat heute einen Tag Drehpause am Set von „Mama Nigeria“, wo sie eine deutsche Ärztin spielt, die junge Minenkinder vor ausländischen Neonazis rettet, mit nach Deutschland bringt und ihnen von dort eine Adoption in die USA ermöglicht, hallo (hebt die Hände, wie zu einer überdimensionalen Flüstertüte geformt), Mrs. German Film, grüß Dich, Veronica Ferres.

Veronica Ferres: Hallo, guten Abend. Beckmann: Außerdem zu Gast: Sie ist die personifizierte Raubeinigkeit, der intellektuelle Remix von Bushido, Sido und Fler, sie ist Berlin, keine Göre mehr, aber noch jung, sie ist wie intelligenter Sex: geradeheraus, hintergründig, eine schnelle Zunge, ein toller Körper und ein wacher Blick, hi, Sarah, hey, Sarah Kuttner. (Kuttner rollt mit den Augen und zieht eine Schnute in die Kamera) Und wir begrüßen einen Helden in seinem Land, einen Global Player, einen knallharten Verhandler, liebe Zuschauer, der trotz Atomkrise, drittem Weltkrieg und inneren Unruhen immer noch etwas Zeit für seinen Kräutergarten findet: Mahmoud, good to have you here, Ahmadinedschad. Wie ist Ihnen die Reise bekommen?

Mahmoud Ahmadinedschad: (lächelt wahnsinnig lieb) Geehrter Beckmann, es war ein wunderbarer Flug. Der Himmel ist ein Garten mit Blumen aus Sternen. Deutschland ist ein Eierkuchen mit Mehl von Gesichtern. Ich durfte bereits wandern und mich auch nützlich machen, (schaut in die Runde) Ich bin ein Maultier, wenn ich reise.

Beckmann: Nützlich machen? (großeAugen)Wie dürfen wir das verstehen? Sie haben jemandem den Koffer getragen? Der iranische Staatschef hilft einem Mütterchen beim Verladen? Atomstreit mal beiseite, einfach mal angepackt?

Mahmoud Ahmadinedsehad: Ich liebe jeden Zentimeter der Erde, selbst wenn die Straßen wie bei Ihnen so perfekt asphaltiert sind. (Malt mit den Händen eine Gerade in die Luft) Ich trage immer einen Besen bei mir, schon als Bürgermeister von Teheran habe ich jeden Morgen bei Tagesanbruch eine mittelgroße Gasse gefegt. Das reinigt das Herz. Ich liebe den Asphalt. Liebe und Moschus bleiben nicht verborgen.

Sarah Kuttner: Hu, wat issn dit jetze?

Ahmadinedschad (getragen zu Kuttner): Ich bin nicht fremd hier, doch diese Zeit gehört mir nicht, und ich gehöre nicht dieser Zeit. Ich kam und weinte, weil ich keine Schuhe hatte. Bis ich jemanden traf, der keine Füße hatte.

Kuttner: Wat? Ick gloob, ick…

Veronica Ferres: (klatscht ehrfurchtsvoll Beifall) Toll. Ich find das ganz wunderbar, dass ein, ja, Mann wie der Präsident von Persien hier so was tut, das beweist, dass er trotz all seines teuren Hab und Guts, trotz seines ganzen weltweiten Ruhms, sein Herz noch immer am richtigen Fleck zu hängen hat (kehlig)… Das rührt uns… Die Sophie Schottenloher, also die „Mama Nigeria“, die ich gerade spiele, die ist jeden Morgen mit einem Korb durch das Armutsviertel gegangen und hat die kranken Kinder eingesammelt, das ist…

Oskar Lafontaine (wendet sich wie auf einem Drehstuhl): Moment, Moment, Achtung: (Zeigefinger!) Masche! Das sollten Sie doch wissen, Frau Ferres, dass Ahmadinedschad mit einer Handvoll verknöcherter PR-Strategen genau diese Taktik entworfen hat, sich als ehrenvollen Straßenkehrer darzustellen. Es würde mich ja nicht wundern, wenn es nur ein Doppelgänger war. Irgend so ein arbeitsloser Türke aus Altona kehrt sicher gern mal als Ahmadinedschad die Fußgängerzone für zwei Euro fuffzig. (Glüht vor Selbstgenuss) Genau so ist Herr Ahmadinedschad doch Bürgermeister von Teheran und Staatspräsident des Iran geworden. Hören Sie doch auf! (winkt ab) Theodor zu Guttenberg: Herr Lafontaine redet dem Populismus das Wort. Chapeau!

Kuttner: Wie jetz?! Also, ick hab ooch ma…

Beckmann: Moment, da grätsche ich rein, das geht an alle jetzt. (Beugt sich weit über den Tisch) Wo liegt das Problem, wenn Herr Ahmadinedschad hier bei uns aufräumt? Haben wir nicht genug Dreck auf unseren Straßen?

Veronica Ferres: Wenn jeder so denken würde wie Herr Ahmetdschihad, dann hätten wir bald kein Problem mehr mit Kindern, die über Sperrmüll stolpern…

Kuttner: …und wir hätten nix mehr zu Lachen! Ick liebe diese Sendung mit den beiden Dicken nachts auf RTL und den Clips, wo Kleinkinder durchs Bild stolpern und von janz oben von der Waschmaschine plumpsen. Ja, ich weiß, gähn, das darf man nicht super finden, dit is‘ Assi-Fernsehen und so, ja, aber na und? Ich guck’s trotzdem! Ick steh‘ dazu! Ick guck die Pannenshows! So! Jetzt hab ick’s gesagt! Det is jedenfalls ’ne bessere Show als die vom Ahmadinedings hier!

Beckmann: Moment, halt, das möchte ich genauer hören, machen Sie das deutlicher, Sie behaupten, dass Politik nur Show, nur Fassade ist? Bloß Mummenschanz? Gar eine Pannenshow? Dass sich alles ums Image dreht und kreiselt und rotiert? Der kleine Mann am Ende der Gelackmeierte?

Lafontaine: Natürlich, das liegt doch auf der Hand. Die meisten Politiker haben Beraterverträge und machen Shows für ihre Regimes oder für gut zahlende Großkonzerne – nehmen Sie Gerhard Schröder, dem kommt der Kaviar doch aus der, Verzeihung, Kimme. Wissen Sie, ich habe mich sehr intensiv mit Heuschrecken auseinandergesetzt…

Ahmadinedschad: Meinen Sie Juden?

Lafontaine: (genervt) Nein, Heuschrecken, das ist metaphorisch für…

Ahmadinedschad: (unterbricht) In meinem Garten zwischen den Lupinen und dem Breitwegerich sind Juden und Heuschrecken dasselbe… Mal fallen Heuschrecken in Judengestalt ein, mal Juden im Heuschreckengewand, der erste Beilschlag muss Wellen in den Wind schlagen, dann ersparst du dir viele weitere Hiebe… Juden und Heuschrecken sind doch eine Gattung…

Lafontaine: (nickt) Ja, von mir aus, mir ist das egal, woran diese Viecher glauben, meinetwegen sind’s Juden. Also, wir haben eine internationale Wirtschaftskrise…

Beckmann (hektisch): Halt, lassen Sie uns da einhaken, Oskar, von diesem Punkt aus mal abspringen in unseren Themen-Pool: Wirtschaftskrise, Wahlthema Nummer eins, wie spüren Sie die, wann ist sie präsent, Sarah? Sie sind dabei, sie sind ultradirekt, welches Gefühl ist die Krise?

Kuttner: Ehm, Langeweile. Also, dit is‘ ’ne langweilige Krise. Irgendwie ist es gar keine richtige Krise. (Schnute) Ehrlich gesagt, dit is’n totales Langweilerthema, damit bringst du jedes Gespräch zum Abkacken…

Lafontaine: Wie, es lässt Sie kalt, dass die ganzen Ackermännlein, die in kleinen Zirkeln eiskalte Entscheidungen treffen, dass die uns alle in den Ruin gewirtschaftet haben, gierig, nimmersatt, an den Abgrund geschoben haben, die Fresser, die…

Ahmadinedachad: … Juden….

Lafontaine: …die Hundts, Henkels und ihre Lakaien, die Brüderles, es macht Sie nicht wütend, dass die uns…

Kuttner: Nee. Dit geht mir eigentlich komplett am Sack vorbei, wenn ick eenen hätte. Ick hör det nur immer, aber mit meinem Alltag hat det nüscht zu tun.

Ferres: Naja, Sarah, Deutschland sollte dir nicht egal sein.

Beckmann: (hebt die Hände, als habe jemand „Hände hoch!“gerufen) Höre ich da Politikverdrossenheit raus, Sarah? Oder, anders gefragt: Wir werden alle immer älter. Rente mit 67 ist so ein Reizthema, neuerdings sogar Rente mit 69. Sarah, wenn du dir Mick Jagger anguckst, der Mann ist topfit – wie sorgst du für dein Alter vor?

Kuttner: Mir geht dit tierisch aufn Keks, immer auf dieses Jungsein reduziert zu werden.

Ferres: Man ist so alt, wie man sich fühlt.

Zu Guttenberg: Das kann ich bestätigen. Neulich, beim AC/DC-Konzert, da habe ich meine Jeanskutte aus dem Schrank geholt, meine Frau hat sich die Teufelshörner aufgesetzt – und wir hatten einen Mordsspaß.

Beckmann: „Highway To Hell“, der große Bon Scott, unvergessen…

Ahmadinedschad: „TNT“ ist ein guter Song! Lafontaine: Leute, was redet ihr denn? Es kann doch nicht sein, dass unser Wirtschaftsminister Konzerte besucht, während in seinem Land Millionen von Menschen aussortiert werden und mit Armenspeisung und Minimallöhnen…

Zu Guttenberg: Wer nichts wagt, der nicht gewinnt.

Beckmann: „Adel verpflichtet“, sagt der Volksmund (schmunzelt). Sarah, Du hast auf dem John-Lennon-Gymnasium Abitur gemacht. Es gibt diesen wunderbaren Song „Imagine“ – das ist eine Utopie: Die Menschen leben in Frieden…

Lafontaine: (spitzfindig) Die SPD hat das seinerzeit so übersetzt, dass Herr Struck mit dem Motorrad am Hindukusch Militärparaden abnimmt.

Kuttner: Nee, also ick wees jetz nüscht… Is det jetz schon die Krise gewesen? Dit jetz gerade im Moment allet? Is det die berühmte Krise?

Zu Guttenberg: Ja, wir durchleben durchaus eine Zeit der…

Kuttner: Also, ick merk nüscht. (Horcht in sich hinein) Gar nüscht! Nix! Aber mal so überhaupt rischti mal null. Es war weder richtig auf die Schnauze, noch ist das System abgekackt, und das System ist jawohl das Problem, ne? Oder? Also Spitzensteuer, Fernsehen, Meinungsdiktatur und so… Und die Umwelt, ja, Umwelt! Da sollten se mal…! Ich fahr ja viel mit meim ollen Polo, der einen eigenen Vornamen hat, durch Berlin, jut det is jetz nicht so jut wegen Feinstaub und so, ok, aber von dieser Krise erkenne ick nüscht, wenn ick so rumfahr überall, ehrli jetz, det ist im Prinzip alles gleich geblieben in Berlin, also, Reifen hab ich keene brennen sehen, soziale Unruhen – nö. Da beschäftige ich mich lieber mit meinem neuen Buch (zwinkert).

Beckmann: Sie haben die Mittelritzen von Hotelbetten geleert und darüber sechs mitreißende Reportagen geschrieben…

Kuttner: Ja, zum Beispiel über’n vertrocknetes Diaphragma, das ich da rausjefischt hab, ein Kapitel dreht sich um Erdnüsse, dann gibt’s eins, in dem ich den Weg eines Schnürsenkels verfolge… Zu Guttenberg: Brillant!

Kuttner: …von seim Anfang in ’nem Chuck über sein Ende als Schnürsenkel-Laffe in den Stiefeln von Udo Lindenberg

Beckmann: Wenn wir unter diesem Gesichtspunkt über die Wahl nachdenken, Herr zu Guttenberg, wo gilt es den Schuhsenkel enger zu – schnüren?

Zu Guttenberg: Na, das ist wunderbar einfach, wir brauchen ein gut durchgeschütteltes Steuersystem, ich nenne das den Schneekugeleffekt, wir senken das Volumen, wir lassen es sich ausbreiten, dann schauen wir uns das an, (wie ein gut geölter Motor) die Dinge legen sich, wir können das Ganze wieder erkennen, wir haben die Landschaft im Blick, das Prinzip wird wieder klarer, da ist Leistung, da ist Gesellschaft, es fügt sich…

Kuttner: Wie wär’s denn eigentlich mal, wenn wir ein paar Sachen einfach abschaffen. Ick würd zum Beispiel mit Heidi Klum anfangen und dem

Scheiß, der auf dem Kassenzettel steht, mit den 19 Prozent Dings.

Zu Guttenberg: Natürlich, famos, da haben wir eine griffige Zahl, die lässt sich anfassen, die können wir fühlen, das ist Konsum, da ist der Endverbraucher, hier setzen wir an, und jetzt kommt der Hebel, (setzt Punch um Punch) wir schaffen eine Lücke, wunderbar, jetzt bricht Licht herein, da zeichnen sich wieder Konturen ab, wir erkennen die Leistungsträger, so schaffen wir Klarheit, das lässt sich so abbilden, da muss man nicht nachbessern, dann sehen wir weiter, da finden wir Maßnahmen, das machen wir akkurat, hier liegt die Produktivität, toll…

Beckmann: Politik kann so verständlich sein, wenn sie von einem charismatischen Jungstar der CSU erklärt wird.

Lafontaine: Politik sollte sich wie ein Kinderbuch erklären lassen. Mein Sohn hat „Tomte Tummetott“ sehr gern gemocht…

Beckmann: …Der geheimnisvolle Gnom aus dem Schnee…

Lafontaine: Er ist unsichtbar, schleicht sich bei Nacht an den Stall…

Ahmadinedschad: Der Amerikaner!

Lafontaine: Der Wähler…

Beckmann: Das Wahltier, sozusagen…

Kuttner: Ick jehe nüscht zur Wahl! Alle denken, ick mein det ironisch, aber ick geh wirkli nüscht. So! Ick hab’s jesacht!

Lafontaine: Angenommen also, der Wähler sitzt im Stall und friert, und es geht ihm das Heu aus. Tomte Tummetott kommt bei Nacht und sagt: „Geduld nur, Geduld, der Sommer kommt bald.“ So sehe ich mich, und ich weiß, dass Gregor sich auch so sieht. Tomte Tummetott legt dem Wähler ein Bündel Heu hin, damit er was zu fressen hat, und er macht es ihm warm und kuschelig. (Väterlich) Wir kümmern uns.

Ferres: Ach wie schön…

Sarah Kuttner: Timmetott is doch wat für Penner. Ick fand ja immer die „Rote Zora“

spannend, als Kind haben mich revolutionäre Mädchen total angemacht.

Zu Guttenberg: Mich auch.

Kuttner: Echt? Iiiihhh… Das heißt, ich könnte auch in die CSU eintreten? Das war so scheiße, dass es schon wieder gut wäre…

Beckmann: Ich hätte gedacht, Sie identifizieren sich eher mit Pipi Langstrumpf, Sarah. Das ist auch so eine kesse, kleine Maus, die sich alles rausnimmt, und bevor man sie verprügeln darf, hebt sie ein Pferd hoch oder pfeffert dir Teller um die Ohren. Geil.

Kuttner: Icke?

Lafontaine: Auf der anderen Seite haben wir die Raupe Nimmersatt, ein fettsüchtiges Tier, die sich von Seite zu Seite weiterfrisst, wir müssen uns die Raupe als einen Arbeitgeber vorstellen, erst kommt die Birne, (schnaubt) und wenn die Birne weg ist, kommt der Kürbis, und wenn der Kürbis fort gefuttert scheint, wird die Kirsche angefressen…

Ahmadinedsckad (honigsüß): Ich kenne dieses Buch, ich habe es meinem Neffen so oft vorgetragen, bei uns geht es um einen amerikanischen Geschäftsmann, der ein Kind frisst, erst die Füße, das Kind lebt noch, dann den Bauch, es schreit, die Arme, den Kopf…

Ferres: Toll! Es ist ganz wichtig, dass man den Kindern früh klar macht, dass nicht jeder Erwachsene lieb ist.

Beckmann: Für Veronica Ferres ist Politik erst dann gute Politik, wenn sie gute Politik für Kinder ist.

Ferres: Ich versuch auch, das persönlich umzusetzen. Da nehme ich mir auch die Zeit und verzichte mal auf einen Film, zum Beispiel für meine Kinderhilfsorganisation „Power Child“. Warum nicht auch eine Dependance im Iran, Herr Dschihad?

Ahmadinedschad: Oh, schicken Sie mir gerne einen Mann vorbei, der mir mehr von ihrem Projekt erzählt.

Ferres: „Power Child“, ja, da helfe ich Kindern, in dem ich sie vor Missbrauch schütze. Wenn Sie da Interesse haben… Ahmadinedschad: (überlegt) Geht so.

Ferres: Oder mein neuestes Hilfswerk „Love Care“, hat mir mein Schatz zum Geburtstags geschenkt, der Carsten…

Zu Guttenberg: Aah, Maschie, ein guter Golferfreund von mir, tolles Handicap, harter Blick, Kindergartenkumpel, hat Marketing gemacht, für die ganz Großen, (onfire) ein Machertyp, Stahlproduktion, Kampagnen für Müllriesen, Reifengiganten, ein Inspirator, hat Think Tanks gegründet, damals ganze Generationen von Bombern an den amerikanischen Steuerzahler verkauft…

Lafontaine: (verächtlich, spuckt) Ein Finanzjongleur! Menschenfresser! Parasit! Ferres: Ja, Carsten ist toll… Ahmadinedschad: Ein Jude? Ferres:… und „Love Care“ hat er mir so erklärt: „Stell dir vor, Veronica: Bügelbretter, Küchenkalender, Frühstücksbrettchen mit den Gesichtern von kleinen Mongos.“ (Hebt den Zeigefinger) Ich hab gesagt: Es heißt Mongoloide, Carsten. Er hat mir das Konzept erklärt: „Stell dir vor, wir bringen ’ne ganze Palette von Non-Food-Produkten auf den Markt, die du in jedem Supermarkt im Eingangsbereich platzieren kannst. Darauf drucken wir die Gesichter der Mongoloiden. Und jeder Mongoloide, der auf so einem Frühstücksbrettchen erscheint, wird auch mit 1,7 Prozent am Nettogewinn des Produkts beteiligt.“

Beckmann (zart): Wir sehen dem behinderten Menschen beim Frühstück in die Augen und wissen: Wir haben ihm mit dem Kauf etwas Gutes getan? Ein erster Schritt ins Leben? Oder ein ekelhafter Start in einen neuen Tag, wenn ich bei jedem Happen Golden Toast mit frischer Kerrygoldmargarine an die Speichelfäden erinnert werde, die so einem Mongo aus der behinderten Fresse hängen?

Ferres: (kichert) Reinhold, du bist einer… Nee, ich fand die Idee toll, ganz wunderbar. Ich hab ihm abgerungen, dass wir wenigstens auch die vergewaltigten Kinder mit in die Produktpalette nehmen…

Zu Guttenberg: Da kann man ja endlos brainstormen, Vergewaltigte, Kranke, da liegt Druck dahinter…

Ferres: Jedenfalls hab ich um die Gewinnbeteiligung der Opfer gekämpft, und Carsten ist bis auf 2,1 Prozent hoch gegangen. Wenn Sie mich fragen, das ist Politik. Politik fängt ja mit dem an, was du selbst zu tun bereit bist. Schon Kennedy hat ja gesagt: Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst. Und ein Stück möchte ich jetzt eben an mein Land zurückgeben.

Zu Guttenberg: Genau so machen wir es! Ich bin bereit, mich zu beteiligen! Auch finanziell.

Beckmann: (abrupt)Tja‘. Und das, meine Damen und Herren, könnte vielleicht das Magische sein, das, was wir aus dieser lebhaften und einmaligen Diskussion mitnehmen: Genau so machen wir es. Vielleicht müssen wir uns nur ein wenig – konzentrieren und hinsehen. Das ist Deutschland vor der Wahl.

Nächste Woche bei mir zu Gast: der Chemie-Professor Joachim Sauer, die Verwaltungsrichterin Elke Büdenbender und der Eventmanager Michael Mronz, Thema wird sein: die Leichtathletik-WM in Berlin. Ich bedanke mich jedenfalls bei meiner heutigen Runde für die lebhafte Diskussion. Und ich glaube, ich spreche für alle hier, wenn ich sage: Gehen Sie wählen, es ist Ihr Land!

(lächelt, schaut tief und treuherzig in die Kamera)

Unser Autor Christian Ulmen begann als Moderator bei MTV; später entwickelte er eine Reihe skurriler Kunstfiguren fürs Fernsehen. Derzeit ist er in der Italien-Komödie „Mama, ihm schmeckt’s nicht“ zu sehen.

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